Bonbon-werfende Funkengarden, geschmückte Umzugswagen zur politischen Großwetterlage, grimmig-dreinblickende Feierverweigerer: Sieben Wochen vor Ostern herrscht in einigen Regionen Deutschlands Ausnahmezustand.
Mit Straßenumzügen, Kostümen und großen Festen feiern Menschen Fasching – auch wenn Fasching 2022 aufgrund der Pandemie die meisten Veranstaltungen ausfallen.
Die bunten Spektakel sind uralt. Schon vor mehreren Tausend Jahren feierten Römer und Germanen zum Ende des Winters große Frühlingsfeste, um mit Masken, Trommeln und Musik böse Geister und Dämonen zu vertreiben.
„Romantiker haben in der Neuzeit einen Zusammenhang zum Karneval hergestellt, weil sie ihn veredeln wollten. Aber in den Quellen gibt es keinerlei Belege, die auf eine Kontinuität schließen lassen“, sagt Holger Pyka, evangelischer Pfarrer in Wuppertal. Die Geschichte des närrischen Treibens war das Thema seiner Doktorarbeit.
Die Entstehung des Faschings hänge mit dem Christentum und der Fastenzeit vor Ostern zusammen. „Der Aschermittwoch ist das erste Mal im Jahr 1193 belegt. Nur wenige Jahre später finden sich erste Erwähnungen der Fastnacht“, erklärt Pyka.
Auch der offizielle Auftakt der „5. Jahreszeit“ am 11. November hängt mit dem christlichen Kalender zusammen. Früher war ebenfalls eine Fastenzeit vor dem Weihnachtsfest üblich, die mit dem Martinstag am 11. November begann.
Zunächst waren es Handwerksgesellen, Müller und Marktfrauen, die vor der strengen Zeit des Fastens noch einmal ausgelassen feiern wollten. Denn in der Fastenzeit waren Feste, Alkohol und Fleisch sowie weitere tierische Lebensmittel tabu.
Das zeigt sich auch am Begriff „Karneval“: Aller Wahrscheinlichkeit nach leitet er sich vom lateinischen „carne levare“ (Fleisch wegnehmen) ab, eher scherzhaft übersetzt ist auch „carne vale“ als „Fleisch, lebe wohl!“ denkbar.
Die Festtage hatten zudem den pragmatischen Zweck, alle verderblichen Lebensmittel aufzubrauchen, die als nicht fastenzeittauglich galten. Dazu gehörten neben Fleisch auch Eier, Fett und Milchprodukte.
Neben diesen praktischen Aspekten erkennt Holger Pyka weitere Funktionen des Karnevals. „Man kann hier von einer Ventilfunktion sprechen: Wenn die Leute einmal im Jahr so richtig auf den Putz hauen können, dann sind sie den Rest des Jahres entspannter“, erklärt er.
Trotz seines christlichen Bezugs war der Karneval den Kirchen lange Zeit ein Dorn im Auge. „Noch bis vor wenigen Jahrzehnten haben die Kirchen den Karneval abgelehnt“, sagt Holger Pyka. „Sie haben die Ausschweifung kritisiert, etwa dass die Leute übermäßig viel Alkohol trinken und unehelichen Geschlechtsverkehr haben.“
Inzwischen hat sich das geändert. Viele Kirchen stehen dem Karneval heute positiv gegenüber – und feiern sogar mit. Konfessionelle Unterschiede gibt es laut Pyka kaum.
Fastnacht feiern als Kirche, für den Stadtdekan stellt das keinen Widerspruch dar. „Bereits in der Bibel ist Jesus als ‚Fresser und Weinsäufer‘ beschrieben, er hat selbst gerne gefeiert und zum Feiern eingeladen.
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