Gesellschaft

Suizid nicht übersehen - wie Familie Schott weiterleben kann

Hartmut Schott steht vor einem Fenster
EMH/Claudio Murmann

Hartmut Schotts Sohn Ricardo kämpfte mit psychischen Problemen. Anfang 2019 nahm er sich das Leben. Wie geht man als Eltern mit dieser Tragödie um?

Ende Januar 2019 verlässt Ricardo sein Elternhaus. Seine Eltern denken, er geht zu Freunden. Als er am nächsten Tag nicht nach Hause kommt, macht sein Vater sich auf die Suche nach ihm. „Ich habe seine Freunde angerufen. Keiner wusste, wo er war“, erzählt Hartmut Schott. 

Dann kam ein Anruf von einer Bekannten aus der Clique seines Sohnes, es habe einen Bahnunfall gegeben. 

Ich habe den Polizeibericht gelesen, die Polizei angerufen und gesagt: Das ist unser Sohn.

Ricardo ist nur 25 Jahre alt geworden, er hat sich am 29. Januar 2019 das Leben genommen. 

Mit Suizid umgehen

„Das einen Schockzustand zu nennen, ist zu harmlos. Es ist ein Tsunami, ein Erdbeben und ein Tornado, der über uns hinweggefegt ist. Das kann man sich nicht vorstellen. Alles, was es vorher gab, ist weg“, beschreibt Hartmut Schott den Suizid seines einzigen Kindes. „Wir haben geschrien, die Tränen sind gelaufen wie aus Wasserkübeln“, erzählt der Vater.

Was tun bei Suizidgedanken?

Hilfe bei psychischen Problemen findest du in den psychologischen Beratungsstellen der Diakonie und Caritas

Mit U25 bietet die Caritas zusätzlich eine vertrauliche E-Mail-Beratung von jungen Menschen für junge Menschen mit Suizidgedanken an. 

In Krisen hilft auch die Telefonseelsorge unter Telefon 0800-1110111.

Beim Patientenservice 116117 kannst du telefonisch oder online ein erstes Beratungsgespräch beim Psychotherapeuten buchen.

Nach seiner Ausbildung zum Grafikdesigner wollte Ricardo erstmal eine Pause machen. „In dieser Zeit gab es nichts, was ihn beschäftigt hat. Das haben wir gemerkt“, erzählt Hartmut Schott. 

Rückzug und Veränderungen: Warnsignale für psychische Erkrankungen

Den psychischen Zustand eines Menschen von außen zu erkennen, ist schwer. Doch es gibt einige Frühwarnzeichen. Besonders wichtig ist, auf Veränderungen – ob langsam oder schnell – zu achten. „Wenn Hobbys vernachlässigt werden, sich die Kleidung verändert oder die Hygiene nachlässt“, sagt Hartmut Schott. „Auch Rückzug ist ein großes Merkmal. Wenn die Jugendlichen plötzlich nur noch in ihrem Zimmer sitzen oder keine Kontakte mehr zur Clique pflegen.“

Dass sich Kinder und junge Menschen zurückziehen und Hobbys irgendwann nicht mehr interessant sind, ist zu einem gewissen Grad normal. Wenn die Veränderungen jedoch extrem sind und mit Rückzug

  • Isolation
  • Appetitlosigkeit
  • Freudlosigkeit
  • Niedergeschlagenheit 

einhergehen, sollten sich Bezugspersonen Gedanken machen. 

Wie Eltern helfen können, wenn Jugendliche sich verändern

Was kann man als Eltern tun, wenn man Veränderungen feststellt? Ganz wichtig sei, freundlich nachzufragen, was den Jugendlichen bedrückt oder „ob es etwas gibt, was man für ihn tun kann“, rät Hartmut Schott als Psychologe. Manchmal hilft es auch, die Freunde anzusprechen, reflektiert er aus seiner eigenen Erfahrung. 

Im Podcast „Hoffnungsmensch“ betont er: Wichtig bei allem sei, keinen Druck auszuüben, „immer freundlich, liebevoll und zugewandt“ zu bleiben, erklärt Hartmut Schott. „Sonst blockieren die Menschen.“

Was tun bei Suizidgedanken? Tipps vom Psychologen

Wenn Eltern den Eindruck gewinnen, dass das eigene Kind suizidgefährdet ist, sei es ganz wichtig, konkret zu fragen

Hast du schon einmal Suizidgedanken gehabt?

Wichtig ist es aber auch, die Frage neutral zu formulieren und keine Verurteilung zu transportieren, erklärt Hartmut Schott. 

Wenn das Kind mit „Ja“ antwortet, sei das ein wichtiger Schritt. Eltern sollten dann deutlich machen, dass es erstmal nichts Unnormales ist, Suizidgedanken zu haben. 

Um die Situation besser einschätzen zu können, müssten die Eltern dann aber auch nachfragen: „Hast du schon Pläne oder etwas Konkretes vorbereitet?“ 

Hattest du schonmal psychische Probleme? Schreib uns, was dir geholfen hat - entweder per Mail oder Social-Media auf: 

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Viele Eltern haben Angst vor diesen Fragen. Hartmut Schott aber sagt: „Man muss das ansprechen. Das erhöht das Suizidrisiko nicht, es verringert es auch nicht, aber es ist eine Tür, die sich auftun kann, damit eine Person sich öffnen und mitteilen kann.“ 

Im nächsten Schritt gehe es dann um eine gemeinsame Hilfesuche.

Trauer: Wie Ricardos Familie den Verlust erlebt

Ein Jahr lang haben Hartmut Schott und seine Frau Theodora die Trauer um ihren Sohn jeden Tag zugelassen – wo auch immer sie waren. Am 29. Januar 2020 ist der stechende Schmerz in Hartmut Schotts Seele plötzlich weg gewesen. 

Die Traurigkeit sei zwar geblieben, aber auch die Gewissheit der Auferstehung und dass Ricardo lebt. „Deswegen empfinde ich Frieden“, sagt Hartmut Schott heute.