Wie kann eine christliche Kirche den Menschen ihren Segen verweigern? Auf das grundsätzliche "Nein" der Katholischen Kirche zur Segnung homosexueller Paare folgt ein Sturm der Entrüstung. Kritik kommt vom Katholischen LSBT+Komitee, ja selbst von katholischen Amtsträgern. Das Netz reagiert mit Empörung und karikiert die Entscheidung des Vatikans.
Keine Segnung für gleichgeschlechtliche Paare
— dieKleinert.de (@dieKleinert) March 17, 2021
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In Rheinland-Pfalz kündigten Kirchenvertreter an, das Machtwort aus dem Vatikan schlicht zu ignorieren. Der katholische Wormser Dompropst Tobias Schäfer sorgte mit einem Video-Statement auf Facebook für Furore. Das Verbot von Segensfeiern mache ihn fassungslos, erklärte der Theologe. "Wo die Kirche glaubt, sich zur Wächterin über den Segen Gottes machen zu müssen, ist sie nicht länger Segen für diese Welt." Er werde sich von niemandem verbieten lassen, Gottes Segen jedem zu spenden, der ihn brauche oder erbitte.
Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ – Schäfer bemüht ein Zitat frei nach Martin Luther, sein Video ist weit mehr als 1000 Mal geteilt worden.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hatte sich im Februar vorsichtig dafür ausgesprochen, die Haltung der katholischen Kirche zu Segensfeiern für homosexuelle Paare zu überdenken. In der Praxis fänden solche Segnungen bereits statt, obwohl sie gegen die kirchliche Ordnung verstießen, erklärte er in einem Beitrag für die Bistumszeitung. Nach dem Verbot aus dem Vatikan hätten ihn nun viele Zuschriften erreicht: "Ich nehme wahr, wie viele gläubige Menschen dadurch enttäuscht und verletzt sind, keineswegs nur unmittelbar Betroffene."
Eine deutliche Reaktion auf das Machtwort aus dem Vatikan kam auch aus dem Bistum Speyer. Generalvikar Andreas Sturm schrieb auf seiner Facebook-Seite ebenfalls, er werde das Verbot ignorieren: "Ich habe Wohnungen, Autos, Fahrstühle, unzählige Rosenkränze und so weiter gesegnet und soll zwei Menschen nicht segnen können, die sich lieben? Das kann nicht Gottes Wille sein."
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte das Schreiben des Vatikans verschließe sich "so eklatant einem Erkenntnisfortschritt theologischer und humanwissenschaftlicher Art", dass "die pastorale Praxis darüber hinweggehen wird". Bätzing bekräftigte: "Ein apodiktisches Nein wird der Verantwortung gegenüber einer so komplexen Fragestellung einfach nicht gerecht." Ihn hätten viele persönliche Rückmeldungen erreicht, in denen sich Menschen von der katholischen Kirche wieder neu verletzt fühlten. "Es gibt viele Menschen, die in verantwortungsvollen, treuen und fürsorglichen Partnerschaften leben, ohne im christlichen Verständnis eine Ehe zu führen", erinnerte der Bischof. "Wir brauchen eine Neubewertung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und eine Weiternetwicklung der kirchlichen Sexualmoral", forderte der Bischof. Dies relativiere nicht die Bedeutung der Ehe von Mann und Frau.
Das Bistum Limburg hat als Reaktion auf das Machtwort aus dem Vatikan sein Profilbild auf Facebook und Instagram geändert und es in die Farben des Regenbogens getaucht Die Regenbogenfahne gilt als Symbol der Gemeinschaft von lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender Menschen. Der Limburger Bischof Georg Bätzing soll nach HR-Informationen allerdings nicht darüber informiert worden sein. Bätzing hatte sich nach dem "Nein" aus dem Vatikan bisher zurückhaltend geäußert.
Der virale Sturm der Kritik im Netz an dem „Nein“ aus dem Vatikan hat eine neue Qualität: Nicht nur Kirchenmitglieder erheben die Stimme, auch Amtsträger äußern öffentlich Kritik. Sie rechnen mit einem enormen Schaden für die katholische Kirche – die Austrittszahlen sind schon jetzt hoch, die neuerliche Debatte dürfte die Kirchenaustritte nochmals befeuern.
Darüber macht man sich auch in der Evangelischen Jugend Sorgen: Viele unterscheiden nicht mehr zwischen evangelisch und katholisch – oft haben gerade junge Menschen das Gefühl, dass sich die Kirche nicht weiterentwickelt. Auch für Steffen Batz, Vorsitzender der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau, ist das „Nein“ aus dem Vatikan ein Rückschritt. Deshalb rät er, nach vorne zu schauen: „Gerade jetzt müssen evangelische und katholische Christen zusammenhalten und die Zukunft der Kirche ökumenisch gemeinsam gestalten.“
Auch der Rundfunkpfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Martin Vorländer, kann kein Vertsändnis für das Machtwort aus dem Vatikan aufbringen. Die Argumentation erinnere ihn an die Evangelische Kirche in den 90er-Jahren.: Der einzelnen Person begegnete man damals zwar liebevoll mit Seelsorge, bei derVerbindung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern habe aber das Abstandgebot zur Ehe gegolten. "Das warf damals verletztend, und es ist heute verletztend," sagte der Pfarrer in seinem morgendlichen Video auf Facebook und Instagram am Mittwoch.
👭⛪️💬 Nach dem Nein des Vatikans zur Segnung gleichgeschlechtlicher Parterschaften, ringen auch kath. Bischöfe um Orientierung, aus dem @bistummainz u. dem @bistumlimburg gibt es Äußerungen. Die EKHN hat eine klare Haltung 🏳️🌈.
— ekhn_de (@ekhn_de) March 17, 2021
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Hintergrund:
Die Glaubenskongregation der Katholischen Kirche hatte an diesem Montag der Einführung katholischer Segensfeiern für homosexuelle Paare eine kategorische Absage erteilt. Es sei "nicht erlaubt, Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist", hieß es aus dem Vatikan. Weiter heißt es in dem Schreiben, Gott könne keine "Sünde" segnen.