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Kirchenmitglieder

Warum junge Menschen in der Kirche sind

Nina Maskus (rechts) und ihre Freundin Luisa Eizenhöfer stützen sich lächelnd an einer Mauer ab.
epd-bild/Ralf Krein
Luisa Eizenhöfer (links) und ihre Freundin Nina Maskus sind gern in der Kirche.

Den Kirchen laufen die Mitglieder davon. Und doch gibt es Jugendliche, die sich nicht vorstellen könnten, aus der Kirche auszutreten. Was hält sie?

von Karsten Packeiser

Autofrei in der Mainzer Neustadt. Die Menschen probieren aus, wie es sich anfühlt, wenn Straßen den Anwohnern und nicht mehr den Autos gehören. Unter ihnen Nina Maskus. Kinder spielen, es gibt Musik und einen Jonglier-Kurs. Auch das Evangelische Stadtjugendpfarramt beteiligt sich an der Aktion. Hier absolviert die 19-Jährige gerade ihren Bundesfreiwilligendienst.

Kontakt mit der Kirche von Kindesbeinen an

Nina ist selbst in einem Pfarrhaus groß geworden. Sie kennt viele engagierte Kirchenmitglieder von klein auf. Aus der Kirche austreten? Das käme für sie nie infrage. 

Meine Gemeinde ist meine Heimat.

In der evangelischen Jugend hat sie viele Gleichgesinnte gefunden. Ihre Freundin Luisa Eizenhöfer sieht das ganz ähnlich. Luisa ist allerdings katholisch. In ihrem rheinhessischen Heimatort betreut sie in der Kirchengemeinde jüngere Messdiener.

Kirchenmitglieder in Hessen und Nassau

Die Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zählte zum Stichtag 31. Dezember 2021 rund 1,44 Millionen Mitglieder. Im Jahr 2021 gab es eine höhere Sterberate mit 24.000 Bestattungen. Rund 24.000 Menschen sind ausgetreten, das sind fast 6.000 mehr als im Vorjahr.

Die Leute sehen nur Schlagzeilen und Skandale“, sagt Luisa. der Auszubildenden ist bei Kirche aber etwas ganz anderes wichtig: „Unsere Gemeinschaft.“

Damit sind Nina und Luisa die Ausnahme. Denn für die christlichen Kirchen gleicht die Entwicklung ihrer Mitgliederzahlen einem Erdrutsch: Alleine im Jahr 2022 sind 380.000 Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Das sind etwa so viele Menschen, wie in Düsseldorf leben

Kirchenaustritte aus der katholischen Kirche

Für die katholische Kirche fehlt die Zahl aus dem vergangenen Jahr noch. Aber beispielsweise im Jahr 2021 hatten sie ebenfalls so viele Austritte wie nie: knapp 360.000. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Bochum.

Gründe für die Kirchenaustritte sind unter anderem die Skandale rund um das Thema sexualisierte Gewalt. Der Umgang mit dem Missbrauch in der Kirche hat das Vertrauen vieler Menschen in die Institution erschüttert.

Portrait von Gert Pickel
Swen Reichhold

Gert Pickel ist Professor für Religions- und Kirchensoziologie an der Universität Leipzig. Er forscht schon seit längerer Zeit, warum Menschen die Kirche verlassen oder eben bleiben.

Seine Diagnose ist ernüchternd: „Ein Drittel der Kirchenmitglieder glaubt nicht an Gott.“

Glaube an Gott nicht wichtig für Kirchenmitgliedschaft

Aber der Glaube sei gar nicht ausschlaggebend für die Mitgliedschaft in der Kirche. Gemeinschaft sei sehr wichtig. Etwa wenn jemand in einem guten Chor mitsingt, fühle sich diese Person der Kirche schon verbunden.

Luisa Eizenhöfer (links) und Nina Maskus sitzen in der Evangelischen Altmuenstergemeinde in Mainz in der Kirchenbank.
epd-bild/Ralf Krein
Luisa (links) und Nina in der Evangelischen Altmünstergemeinde in Mainz

Gerade zu den Wendepunkten im Leben, gäbe es immer noch Anknüpfungspunkte. Die Menschen schätzen es, wenn sie in bestimmten Situationen traditionell von Pfarrpersonen begleitet werden. Die klassischen Beispiele sind:

  • die Taufe zur Geburt
  • Gottes Segen bei einer Heirat
  • ein christliches Begräbnis für Verstorbene

Die sehr gläubigen Menschen bleiben in der Regel auch dann in der Kirche, wenn ihnen vieles an der Institution missfalle. Gert Pickel ist sich sicher, dass der persönliche Glaube eine Gemeinde brauche. „So eine Form der Religiosität zerbröselt über die Zeit.“

Religiöse Menschen verlassen Kirche seltener

Luisa Eizenhöfer (links) und Nina Maskus sitzen in der Evangelischen Altmuenstergemeinde in Mainz.
epd-bild/Ralf Krein
Luisa (links) und Nina sitzen in der Evangelischen Altmuenstergemeinde in Mainz.

Der Forscher beobachtet erst seit Kurzem, dass auch sehr religiöse Menschen austräten. Vor allem aus der katholischen Kirche.

Auch die beiden Freundinnen aus Mainz ärgern sich über vieles, was in ihren Kirchen ihrer Meinung nach falsch läuft. Luisa setzt sich dafür ein, dass die katholische Kirche endlich die Rolle von Frauen überdenkt.

Keine Kirche würde ohne Frauen laufen.

Die Pfarrerstochter Nina meldet sich auch kirchenpolitisch zu Wort. Sie will nicht, dass in ihrer Landeskirche die Interessen der Jugend „hinten runterfallen“. Zum Beispiel engagiert sie sich bei der Kampagne der Evangelischen Jugend in Hessen und Nassau #JugendBrauchtRäume. Zuletzt hatte die Synode der EKHN beschlossen, das als Jugendbildungszentrum genutzte Kloster Höchst aufzugeben.

Warum in der Kirche bleiben?

Religions- und Kultursoziologe Professor Detlef Pollack aus Münster bei der EKD-Synode in Bonn 2017
epd-bild/Norbert Neetz
Religions- und Kultursoziologe Professor Detlef Pollack aus Münster

Religionssoziologe Detlef Pollack aus Münster benennt weitere Gründe für eine Kirchenmitgliedschaft. Ein wichtiger Aspekt sei das Gefühl, dass die Kirche eine Institution sei, die eben doch „etwas Gutes tut“. Als Beispiele führt er an, dass sich um Arme, Schwache und Benachteiligte gekümmert werde.

Entscheidend für die Bindung an die Kirche sei letztlich aber die eigene Ortsgemeinde. Auch wenn die Äußerungen von Papst oder Bischöfen nicht ungehört verhallen, so zähle doch, wie die Bindung vor Ort gelinge.

Mitglied in der Kirche werden

Du überlegst Mitglieder in der Kirche zu werden? Besuch doch einfach mal deine Ortsgemeinde bei einer Veranstaltung. Wenn du studierst,m dann schau doch mal, was die Evangelischen Studierendengemeinden anbieten. Die EKHN bietet außerdem Infos zum Wiedereintritt.

Nur dann finden auch manche eher distanzierte Mitglieder den Weg zurück in die Gemeinde. So ging es beispielsweise auch der Verwaltungsangestellten Jeannette Sartorius aus Hamm bei Worms. Ihre Tochter Miriam ist in den Konfirmandenunterricht gegangen.

Mittlerweile gehört Jeannette Sartorius dem Kirchenvorstand an und organisiert den Kindergottesdienst. „Die Menschen in unserer Gemeinde sind alle sehr lieb und fürsorglich“, sagt sie. In der Kirche erlebt sie im Vergleich zu anderen ehrenamtlichen Engagements eine höhere Wertschätzung.

Miriam ist mittlerweile 16 Jahre alt. Sie betreut ehrenamtlich die nachrückenden Konfirmanden-Jahrgänge. Die Schülerin ist von der engagierten örtlichen Pfarrerin tief beeindruckt. Über ihre Aufgabe sagt sie: „Es fühlt sich einfach richtig an“ und spricht gar von einer „Art Berufung“.

Warum bist du Mitglied in der Kirche?

Und nun bist du dran. Erzähle uns, was du in der Kirche erlebst? Warum bist du Mitglied der Kirche? Schreib uns deine Meinung dazu über unsere Social-Media-Kanäle: 

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