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Erfahrungsbericht

Flut im Ahrtal: Von Normalität noch weit entfernt

Nach der Flut im Ahrtal
epd-bild/Meike Boeschemeyer; privat

Das Bündnis „Butzbach hilft“ engagiert sich für den Wiederaufbau im Ahrtal. Auch Viola Miller, Mitarbeiterin im Diakonischen Werk, war vor Ort.

Von Viola Miller

„Die Menschen legten sich abends ins Bett und wachten nicht mehr auf. Sie ertranken oder wurden von den Trümmern ihrer Häuser erschlagen.“ So war der Wortlaut der Berichte unmittelbar nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli und er ergriff mich mit Entsetzen.

Viola Miller war als Helferin im Ahrtal
privat
Viola Miller war als Helferin im Ahrtal

Das eigene Bett ist ein Schutzraum, eine Wohlfühloase, ein intimer Ort. Hier zieht man sich zurück, wenn es einem auch mal nicht so gut geht. Besonders gerne liege ich bei einem Unwetter im Bett und lese gemütlich, während der Regen an die Fensterscheiben trommelt. Hier ist man doch sicher – normalerweise.

Heizungsanlagen in Flutgebieten sind zerstört - und der Winter naht

Von Normalität ist das Ahrtal noch weit entfernt. Dies habe ich während meines Hilfseinsatzes erfahren, an dem ich am 9. Oktober teilgenommen habe. Zwar wurde bereits viel Schutt und Schlamm weggeräumt, doch man sieht vor allem im Inneren der betroffenen Häuser das Ausmaß der Katastrophe: Die untere Etage ist unbewohnbar, der Wandverputz muss bis auf das rohe Mauerwerk weggestemmt werden. Heizungsanlagen sind zerstört – und der Winter naht.

Immer noch Zerstörung am Ufer der Ahr
Viola Miller
Immer noch Zerstörung am Ufer der Ahr

Die Ahrtalbewohner haben mir von der zäher Bürokratie und langwierigen Verhandlungen mit den Versicherungen berichtet, vor allem ältere Menschen hätten Schwierigkeiten, Anträge auf Versicherungsleistungen zu stellen.

Mit Sackkarre, Schaufeln, Beil und Eimer durch Ahrweiler

Seit Monaten engagiert sich das „Helfer-shuttle“: schnell, einfach, unbürokratisch und kostenlos. Ich bin mit dem Bündnis „Butzbach hilft“ mit einem Bus um 6 Uhr morgens vom Butzbacher Bahnhof ab. Kurz nach 8 Uhr kamen wir im beeindruckenden Camp des „Helfershuttles“ in Grafschaft-Ringen an. Dort wurden Hilfsaufträge verteilt, zu denen man sich nach Wunsch melden konnte.

Hilfe in Flutgebieten wird immer noch benötigt

Helfer im Ahrtal
Viola Miller

Ich entschied mich für das Verräumen von Sperrmüll und stieg mit drei Männern aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands in den Bus, der uns nach Ahrweiler brachte. Wir räumten dort den Sperrmüll aus der Wohnung einer 90-jährigen Dame.

Der Auftrag war vergleichsweise schnell erledigt und so zogen wir mitsamt Sackkarre, Schaufeln, Beil und Eimer durch Ahrweiler und fragten die Menschen direkt, ob sie Hilfe benötigten. An diesem Tag wurde an fast jeder Ecke geschuftet und so kamen wir schnell mit den Bewohnern ins Gespräch. So halfen wir einer Familie, Schlamm weg zu schaufeln und den Vorgarten neu anzulegen.

Katastrophe im Ahrtal ist immer noch aktuell

Den Menschen im Ahrtal helfen…

Bitte fahr nicht einfach auf eigene Faust in die betroffenen Gebiete. Ja, die helfenden Hände werden gebraucht, aber die Hilfe ist von Initiativen und den Kommunen organisiert.

„Ich weiß ja, dass ein Vorgarten nicht das Wichtigste ist, aber schaut mal, wie schön der jetzt geworden ist. Ich brauch´ sowas für meine Seele!“, versicherte die glückliche Anwohnerin.

Sie schenkte jedem von uns einen Kalender für das Jahr 2022 – mit Bildern die zeigen, wie schön das Ahrtal normalerweise ist.

Wir zogen weiter und halfen einer Familie, die Tapete von der Decke des ehemaligen Wohnzimmers zu entfernen. Anschließend versammelten wir uns in der Altstadt um die Laurentiuskirche herum zu einer Menschenkette. Eine Geste, die zeigen soll, dass die Katastrophe im Ahrtal immer noch aktuell ist.

2.750 Helfende an einem Tag

Ein Shuttle-Bus brachte uns daraufhin zum Camp zurück. Dort herrschte fast schon eine Art Festival-Atmosphäre. Die Helfenden – 2.750 allein an diesem Tag – saßen auf Bänken beieinander und erzählten von ihren Erlebnissen. Dazu wurde gegrillt.

Für die Flutopfer spenden

Spendenkonto bei der Diakonie RWL
IBAN: DE79 3506 0190 1014 1550 20
Stichwort: Hochwasser-Hilfe
Online für die Opfer der Hochwasserkatastrophe spenden

Ich habe  gemerkt, dass ich hier in einer gastfreundlichen Genuss-Region unterwegs bin, die für ihre Einkehrmöglichkeiten bekannt war. Wir nahmen unsere Abendmahlzeit ein und lauschten der Ansprache von Stephanie Rau-Helmig, Mit-Initiatorin des Bündnisses „Butzbach hilft“. Es sei wichtig, einen solch arbeitsreichen Tag gut ausklingen zu lassen.

Es tat gut, nach den teilweise drastischen Berichten der Anwohner noch ein wenig zu sitzen und erzählen zu können. Kurz nach 19 Uhr nahmen wir wieder unsere Fahrt in Richtung Butzbach auf.

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