Präventionsprojekt

Gewalt in der Pflege verhindern

Gewaltsituation in der Pflege
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Gewalt in der Pflege kann von beiden Seiten ausgehen. Es geht darum, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen.

Gewalt in der Pflege und in der Gesundheitsversorgung kommen immer wieder vor. Doch wie können Situationen nicht mehr eskalieren?

von Elfriede Maresch

In der Realität vieler Einrichtungen gibt es immer wieder Reibungspunkte. Krankenschwester Karin pflegt seit langem einen 77-jährigen Schlaganfallpatienten. Der Mann ist inkontinent, motorisch und sprachlich stark eingeschränkt, schwerhörig und in seiner Persönlichkeit verändert. Früher agil, möchte er heute nur noch in Ruhe gelassen werden.

Pflegebedürftige Menschen werden gewalttätig

Standards im Pflegealltag

Aus hygienischen und medizinischen Gründen ist es notwendig, Patientinnen und Patienten täglich umzulegen, sie zu waschen und ihre Haut zu pflegen. Ansonsten drohen wunde Stellen, die nur sehr langsam verheilen.

Obwohl Schwester Karin den Mann ruhig auf alle Pflegeschritte vorbereitet, verweigert er sich und empfindet die Pflegekraft lästig und ist genervt. Nachdem er sich tagelang nicht mehr waschen ließ und anfing, an unterschiedlichen Stellen wund zu werden, musste sie handeln.

Karin beugt sich dicht über ihn, um Blickkontakt herzustellen. Sie erklärt dem Patienten erneut, warum sie ihn waschen und in den Sessel setzen muss. In diesem Moment holt er mit der Faust aus und will ihr ins Gesicht schlagen – sie kann gerade noch ausweichen.

Es kommt immer wieder zu Gewaltsituationen in der Pflege

Diese oder umgekehrte Situationen, in denen die Pflegekräfte impulsiv und gewalttätig werden, gehören immer wieder zum Pflegealltag. Mit wissenschaftlicher Begleitung der Hochschule Fulda nimmt das Team der Diakoniestation Hoher Vogelsberg nun an dem Projekt „PEKo2.0“ teil.

PEKo steht für „Partizipative Entwicklung von Konzepten zur Prävention von Gewalt in der stationären Pflege“.

Das bundesweite Projekt wird von der Technikerkrankenkasse gefördert und von mehreren Universitäten wissenschaftlich begleitet. Neun Einrichtungen nehmen daran teil, zwei davon sind in Hessen.

Gewaltsituationen in der Pflege sollen verhindert werden

„PEKo 2.0“ will verhindern, dass es zu Gewaltsituationen in der Pflege kommt. Eine Arbeitsgruppe aus Pflegeteam und Wissenschaftlern formuliert zu Beginn der Projektlaufzeit so etwas wie ein Präventionskonzept, das in das Leitbild der Station aufgenommen wird. Es ist eines der Grundbausteine der täglichen Arbeit der Einrichtung.

In der Pflege werden Präventionsprojekte erarbeitet
Elfriede Maresch
Christian Schick uns seine Kollegin besprechen das Präventionskonzept.

Pflegekräfte stehen unter enormem Druck

Christian Schick, geschäftsführender Pflegedienstleister der Diakoniestation Hoher Vogelsberg, weiß es sehr zu schätzen, dass seine und die Perspektive seiner Kolleginnen und Kollegen in das Konzept Einzug finden. „Es ist gut, dass wir uns als Praktiker einbringen durften.“ 

Pflegekräfte stehen oft unter enormem Zeitdruck, müssen ein großes Arbeitspensum bewältigen, wirken vielleicht gestresst und ungeduldig. Patientinnen und Patienten dagegen haben häufig starke Schmerzen, Angstzustände, Kommunikationsschwierigkeiten oder Bewusstseinstrübungen. Auch der Konsum von Alkohol und Drogen kann dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten aggressiv gegenüber dem Pflegepersonal werden.

Alle sollen für das Thema Gewalt sensibilisiert werden

Was aber, wenn es doch zum Äußersten kommt? Wird jemand Opfer von Gewalt, ist es wichtig, die Situation schriftlich zu dokumentieren. Der Pflegedienstleiter erklärt, dass es hierbei um eine rechtliche Absicherung gehe. Der Eigenschutz der Pflegekräfte hat dabei ebenso hohe Priorität wie die Verantwortung den Patientinnen und Patienten gegenüber. Denn auch das ist Teil von „PEKo 2.0“: Zu wissen, wie man mit Gewaltsituationen umgeht.

Am Ende sollen alle Beteiligten über potenzielle Gewalt sensibilisiert sein. Sie sollen Handlungsmöglichkeiten kennen und Strategien entwickelt haben, die Gewalt verhindern.

Es geht nicht um Schuldzuweisungen.

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Nichts dergleichen rechtfertigt allerdings die Anwendung von Gewalt. Wie es dennoch dazu kommt, ist psychologisch erklärbar. Deswegen ist der Begriff der Fehlerkultur maßgeblich bei der Entwicklung eines Konzeptes zur Prävention. „Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Strategien, wie Stress und Aggressionsaufbau verhindert werden können“, betont Schick.

Wichtig sei es, von Beginn an ein Übereinkommen zwischen Patientinnen und Patienten sowie Pflegerkraft zu schaffen, welche einzelnen Schritte für eine angemessene Versorgung notwendig sind. Dabei spielt auch das Umfeld eine wichtige Rolle. Angehörige und der behandelnde Arzt müssen bei diesem Prozess mit ins Boot. Ziel bei allem ist es, Patientinnen und Patienten nicht zu bevormunden, Stress und Zeitdruck rauszunehmen.