Trotzdem könnten sie auch über ernste und unangenehme Themen, wie die drohende Abschiebung, sprechen. Riffat erinnert sich noch ganz genau an das erste längere Treffen: „Das erste Mal hatten wir auf dem Gladenbacher Kirschenmarkt so richtig Kontakt. Das war am 4. Juli 2014, damals bin ich 14 geworden.“ Heute ist er 22 Jahre alt, spricht einwandfrei deutsch, hat Freunde, eine feste Freundin und eine Ausbildung als Sport- und Fitnesskaufmann begonnen. Die würde er gerne weiter machen, aber aktuell dürfe er nicht arbeiten, was sehr schade sei.
Meine Eltern wollten nicht noch ein Kind verlieren.
Seit Januar 2014 lebt Familie Adnan in Deutschland, in Bad Endbach, im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Riffat ist mit seiner Mutter, und seinen beiden kleinen Geschwistern geflüchtet. Der Grund: „Meine Eltern wollten weg aus Somalia, weil durch den Krieg ein Bruder von mir gestorben ist. Sie wollten nicht noch ein Kind verlieren.“ Sie seien illegal mit gefälschten tansanischen Pässen eingereist. Der Vater aber in Somalia geblieben. Mittlerweile lebe er in einem anderen Land und sie hätten telefonisch Kontakt.
Doch in der Nacht vom 31. August 2021 wird Daud, Riffats kleiner Bruder auf die Insel Sansibar abgeschoben. Denn seit dem 3. August 2020 ist er volljährig und hat somit kein Aufenthaltsrecht mehr. Wegen der gefälschten Pässe wurde Daud auf die Insel Sansibar vor der afrikanischen Ostküste abgeschoben. Dort sei er vorerst für über zwanzig Tage in ein Abschiebegefängnis gekommen, erklärt Riffat.
„Die Polizei hat nachts um halb vier geklingelt, sie wollten uns holen. Ich war zum Glück noch wach. Mein Bruder hat leider zu lange gebraucht, um wach zu werden“, erklärt Riffat gedankenversunken. Riffat sei dann aus dem Fenster im ersten Stock gesprungen und weggerannt. „Ohne T-Shirt und ohne Schuhe, aber mit Geldbeutel und Handy. Dann habe ich Gundula angerufen“, erklärt er.
Gundula Preisig-Devic ist die Mutter von Riffats bestem Freund Louis. „Es war wie im Film, er ist auf die Rückbank gesprungen und wir sind so schnell es ging, weit weg von Bad Endbach gefahren.“
Auf dem Weg habe Riffat einen Asthma-Anfall im Auto erlitten, erzählt Gundula. Die 41-jährige Mutter von zwei Söhnen habe erstmal Medikamente besorgt und zahlreiche Telefonate geführt. Auch mit ihrer eigenen Mutter. „Sie hatte die Idee mit dem Kirchenasyl“, sagt Gundula.
Daraufhin habe sie noch in der Nacht den zuständigen Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Gladenbach angerufen. Denn Riffat befand sich durch seine Flucht in der Illegalität und sie suchten nach Lösungen für ihn.
„Wenn, dann würden wir alles dran setzten, dass er wieder zurückkommt!“ Sollte er aber bleiben dürfen, gäbe es ein riesiges Fest, freut sich die herzliche Frau mit den mittellangen blonden Haaren.
Während der Zeit im Kirchenasyl verfasste Gundula Preisig-Devic eine Petition, für das Bleiberecht von Riffat. Diese wurde abgelehnt, aber der Schritt war notwendig, um dann den Härtefall an die Härtefallkommission des hessischen Innenministeriums stellen zu können.
Auf Nachfrage von indeon, wann die Entscheidung zu erwarten ist, schrieb die Pressestelle des Innenministeriums, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen und „solange dies noch nicht geschehen ist, werden keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet“.