Geschenke

Darum sollten Paare sich nicht nur zu Weihnachten etwas schenken

Die junge Frau steht hinter ihrem Freund mit einem Geschenk in der einen Hand und bedeckt seine Augen mit der anderen Hand.
gettyimages/VioletaStoimenova

„Wir schenken uns dieses Jahr Mal nichts, okay?!“ – Warum diese Verabredung häufig schief geht und meistens nicht sinnvoll ist.

Überlege dir drei Dinge, die du mit Weihnachten verbindest… Vielleicht: 

  • Tannenbaum
  • Krippenspiel und
  • natürlich: Geschenke

Gerade Kinder warten auf das Christkind oder den Weihnachtsmann und sind voller Vorfreude auf ihre bunten Päckchen. Dass wir Kindern etwas schenken, steht außer Frage. Aber manche von uns verabreden sich zum „Nichts-schenken“ an Weihnachten. 

Was dann häufiger passiert, ist, dass sich die eine oder der andere nicht an die Abmachung hält.

Warum es schwer ist, sich nichts zu schenken und ob diese Abmachung überhaupt sinnvoll ist, hat indeon Reporterin Charlotte Mattes einen Beziehungsexperten gefragt. Jörg Fertsch-Röver leitet die Paar- und Lebensberatung im Evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie Am Weißen Stein in Frankfurt.

„Ich habe kein Geschenk für dich“

Jörg Fertsch-Röver sitzt vor Fenstern. Er hat die Hände ineinander gelegt und lächelt in die Kamera.
Charlotte Mattes
„Der eigentliche Kern vom Schenken ist ja auch, dass der Schenkende die Freude des Anderen erlebt", sagt Therapeut Jörg Fertsch-Röver.

Ein Paar verabredet sich: Dieses Jahr schenken wir uns nichts! Dann liegt aber doch ein Geschenk unterm Weihnachtsbaum - warum?

Jörg Fertsch-Röver: Es ist schwierig, nichts zu schenken. Ich glaube, es ist praktisch die Quintessenz von sozialen Beziehungen, also im weiteren Verständnis. Es ist sehr schwer auszuhalten, wenn wir sagen: „Wir tun jetzt mal so, als ob wir nicht in so einer engen Beziehungen wären.“

Die Paarbeziehung wird in dem Moment quasi still gestellt für einen Moment. Deshalb gibt es die Tendenz noch eine Kleinigkeit zu besorgen, sicherheitshalber, um etwas in der Hinterhand zu haben.

In einer Beziehung nichts zu Weihnachten schenken: Eine gute Idee? 

Warum sind Geschenke so wichtig für die Beziehung?

Jörg Fertsch-Röver: Man kann sagen, sie sind die Grundlage von Beziehungen, von Gemeinschaft überhaupt. Geschenke sind zum Beispiel auch fürsorgliche Handlungen, die man für den anderen macht. Wenn man diese nicht pflegt, muss man aufpassen, dass die Beziehung keinen Knacks kriegt.

Das Besondere des Geschenks ist, dass es quasi die Verpflichtung für ein Gegengeschenk schafft. Dadurch hat es auch die Funktion, Gemeinschaften zusammen zu halten. Es ist immer eine Verpflichtung damit verbunden irgendwann ein Gegengeschenk zu machen, denn sonst wird es als ein Affront verstanden. Schenken ohne etwas zurück zu erwarten, macht man ja nur bei Almosen oder bei karitativen Geschenken.

… wie sieht es mit Familien aus, die nur den Kindern etwas schenken, sinnvoll oder nicht?

Jörg Fertsch-Röver: Das drückt ja auch aus, dass wir so tun als ob es nur um die Kinder geht. Da sehe ich die Gefahr, das kenne ich auch aus der Beratung bei jungen Familien, dass die Paarbeziehung sehr in den Hintergrund rückt. Ich denke, da ist es auch wichtig, immer wieder gegenzusteuern. Denn gerade Weihnachten und auch Geburtstage sind aus meiner Sicht große Gelegenheiten, um zu zeigen: „Ich hab dich und unsere Beziehung nicht vergessen, ich schätze sie sehr und ich bin auch dankbar dafür.“

Ein Geschenk drückt persönliche Wertschätzung aus.

Jörg Fertsch-Röver sitzt in einem Sessel und lächelt in die Kamera.
Charlotte Mattes
Jörg Fertsch-Röver leitet die Paar- und Lebensberatung im Evangelisches Zentrum für Beratung und Therapie Am Weißen Stein in Frankfurt.

Gibt es denn auch Ausnahmen, bei welchen die Verabredung auf Geschenke zu verzichten, sinnvoll ist?

Jörg Fertsch-Röver: Zum Beispiel junge Eltern, die bereits sehr im Stress sind und dann nochmal besonders in der Weihnachtszeit in zusätzlichen Stress kommen. Diese können es manchmal ganz schwer aufbringen, zum Beispiel durch die Stadt zu rasen und nach Geschenken für die Partnerin oder in den Ehemann zu schauen. In solchen Fällen kann es wirklich sinnvoll sein, dass sie sagen: „Unser Jahr war so stressig, wir schenken nur den Kindern was und dafür machen wir zum Beispiel im Frühjahr irgendetwas Schönes zusammen.“

… Nichts schenken ist also nur für Paare mit Kindern „erlaubt“?

Jörg Fertsch-Röver: Nein, es ist auch manchmal der Versuch die Paarbeziehung vor Enttäuschungen zu schützen. Außerdem auch von einer Tendenz, dass das Schenken ein bisschen sinnentleert wird, weil man nur noch so standardisierte Geschenke schenkt.

Ein Bespiel dafür ist der dritte oder vierte Mixer für die Küche, was ja schon fast ein Affront sein kann. Wenn man sich gar nicht mehr um ein Geschenk kümmern möchte, weil man das als zu anstrengend empfindet, ist das in gewisser Weise ein Stückweit Resignation.

Der eigentliche Kern vom Schenken ist ja auch, dass der Schenkende die Freude des Anderen erlebt. Denn das macht ja auch die Attraktivität des Schenkens aus. Die Reaktion zu sehen, etwas gefunden zu haben, was den anderen richtig freudig stimmt.

Nichts schenken?

Hast du schon mal Erfahrungen mit dem Nicht-Schenken gemacht? Schreib uns gerne davon vial Social-Media: 

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Apropos Freude, was sind aus Ihrer Sicht gute Geschenke?

Jörg Fertsch-Röver: Wichtig ist, dass es etwas Persönliches ist, das derjenige sich Gedanken gemacht hat, vielleicht auch Zeit investiert hat. Zum Beispiel durch selber basteln oder durch die Stadt rasen. Wichtig ist: Es muss noch einen Kick haben, damit es sich unterscheidet von einer Ware, die ich mir einfach hätte selber kaufen können.

Aber, wenn das immer weniger wird, produziert ein Geschenk eher Enttäuschung als Freude. Zum Beispiel, wenn ich noch schnell auf den letzten Drücker, Blumen bei der Tankstelle kaufe oder so, dann verliert das Geschenk natürlich seine Bedeutung.

Einig, sich nichts zu schenken

Wenn beide sich einig sind, sich nichts zu schenken, dann muss es an einer anderen Stelle stattfinden, also die Wertschätzung für die Beziehungen und die Person. Denn sonst ist das eher Ausdruck einer Ermüdung in der Beziehung.

Das Schenken oder das Beschenkt werden, trägt ja auch zum Selbstbewusstsein meiner eigenen Identität bei. Dass ich jemand bin, der anderen Freude machen kann. Tue ich das nicht, mache ich auch nicht die Erfahrung, dass ich jemand bin, der was Positives bei anderen Menschen auslösen kann.

Haben Sie ein konkretes Beispiel für ein gutes Geschenk?

Jörg Fertsch-Röver: Ein Männerpaar schenkt sich zu Weihnachten exakt das gleiche Paar Socken.

Ich glaube, dass in dem Fall sich beide nochmal besonders darüber freuen, dass sie die gleiche Idee hatten und den gleichen Geschmack. Diese Geschenke könnten die Beziehung nochmal besonders festigen. Denn beide hatten die gleichen Gedanken und so entsteht ein Gefühl von totaler Übereinstimmung.

Das macht den Unterschied zwischen einer Ware, die man kauft und einem Geschenk, was man erhält.

Es kann aber auch passieren, dass Menschen viel investieren für ein Geschenk, es aber trotzdem gar nicht ankommt. Was ist dann schief gelaufen?

Jörg Fertsch-Röver: Vielleicht ist nicht direkt sichtbar, wieviel Arbeit drinsteckt. Zum Beispiel, wenn ich in 32 Geschäften war, bis ich etwas gefunden habe und das für den Beschenkten nicht sichtbar ist. Ein anderer Faktor ist, wenn es sehr an seinem persönlichen Geschmack und Wünschen vorbeigeht. Dann fühlen wir uns nicht in unserer Person gesehen oder wertgeschätzt.

Warum sagen wir dem überhaupt zu, wenn es uns oft dann so schwer fällt, uns nichts zu schenken?

Jörg Fertsch-Röver: Vielleicht sagen wir mit einem nicht so guten Bauchgefühl zu, um den Partner oder die Partnerin nicht in Verlegenheit zu bringen. Es konterkariert ja ein bisschen den Geschenk-Charakter, wenn ich nochmal deutlich sagen muss: „Ich erwarte aber eigentlich ein Geschenk von dir.“ Das ist ein bisschen paradox. Also ich glaube, das hält dann auch viele davon ab ihren Wunsch, den sie eigentlich haben, auszudrücken.

Nicht nichts zu Weihnachten schenken

Was wäre denn Ihr Tipp in so einer Situation? Was können wir sagen, wenn wir eigentlich doch Lust auf Geschenke haben?

Jörg Fertsch-Röver: „Schatz, es wäre doch schade wenn wir uns gar nichts schenken. Du musst ja auch keinen Stress machen das kann nur eine Kleinigkeit sein, aber ich möchte dir gerne was schenken, weil mir das auch Freude macht und für mich ist auch nicht schlimm wenn du wirklich nichts findest.“