Gesellschaft

Festivals ohne Reue: Wie du nachhaltiger feierst

Kreuz aus Bierdosen auf dem Campingplatz eines Musikfestivals 2025
Sandra Kutscher

Nachhaltiges Festival statt Dosenflut: So feierst du umweltbewusst – und hast trotzdem den besten Sommer deines Lebens.

Ein Polaroid von Sandra, die mit einer Einwegkamera fotografiert.
privat
Um Strom zu sparen, habe ich vor allem mit der Einweg- oder Polaroidkamera fotografiert.

von Sandra Kutscher

Sonntagmorgen, sieben Uhr. Die Sonne knallt aufs Zelt, aus dem Nachbar-Pavillon schallt „Guten Morgen Sonnenschein“ von Nana Mouskouri. Mein Schädel brummt. „Muss das wirklich so früh sein?“

Wachwerden zwischen Dosenbergen

Ich krieche aus dem Zelt, stolpere über verstreute Bierdosen und leere Plastikflaschen. Am Campingtisch versammelt sich langsam meine Festivalgruppe. Ringsum wird es leerer, viele Nachbar*innen sind schon abgereist. Zurück bleibt, was niemand mehr mitnehmen will: zusammengefallene Billigzelte, kaputte Pavillons, Verpackungsmüll. Überreste eines ausgelassenen Wochenendes.

Müllberg aus Pavillon, Billigzelten und Müllsäcken
Sandra Kutscher
Pavillon, Billigzelte und Co.: Hinterlassenschaften eines Musikfestivals

Am Nachmittag, auf dem Festivalgelände, halte ich mein Taschentuch in der Hand – Mülleimer? Fehlanzeige. Erst zwischen Foodtrucks und Menschenmassen finde ich endlich einen.

Ich bestelle Pasta: immerhin Mehrweggeschirr. Während ich esse, schaue ich zu den Flaschenauffüllstationen, wo ununterbrochen Wasser in den Boden sickert. Überall liegen Serviettenfetzen, Becher und Zigarettenstummel im Gras.

Ich frage mich: Muss das so sein? Kann Feiern nicht auch nachhaltig funktionieren?

👉 Direkt zu den Tipps, was du als Besucher*in tun kannst.

Nur einmal feiern und Berge von Müll - hier sind neben den Tonnen Müllsäcke geworfen.
Florian Riesterer

Hinter dem Glitzer: Die Schattenseiten von Festivals

Zehntausende Menschen, Musik rund um die Uhr – Festivals sind Ausnahmezustände. Für uns schön, für die Umwelt anstrengend. Der CO₂-Fußabdruck ist enorm.

Allein die An- und Abreise macht laut dem „A Greener Future“-Bericht bei solchen Großveranstaltungen rund 41 Prozent der CO2-Emissionen aus. Lebensmittel und Getränke sind mit über einem Drittel die zweitgrößte Quelle. Hinzu kommen Müllberge, hoher Energieverbrauch – oft gedeckt durch Dieselgeneratoren – belastete Böden und Schäden an lokalen Ökosystemen etwa durch Lärm und Beleuchtung.

Wenn Festivals auf Umwelt und Menschen achten

👉 Einige Festivals setzen längst Gegenakzente. Eins davon ist das Tollwood in München. Seit 1988 sind ökologische Maßnahmen Teil des Konzepts:

  • Bio-Essen und Mehrweggeschirr
  • Ökostrom statt Dieselgeneratoren
  • klimafreundliche An- und Abreise z.B. mit Shuttles und Fahrradservice
  • CO₂-Ausgleich von unvermeidbaren Emissionen

Die Veranstalter*innen streben ein ganzheitliches Konzept an: ökologisch und sozial. Ein Großteil der Veranstaltungen ist kostenfrei, viele Angebote sind inklusiv oder barrierefrei. Langjährige Partnerschaften mit Gastronom*innen und Kunstschaffenden sichern faire Bedingungen und gemeinsame Entwicklungen.

Die Müllvermeidung beginnt bei Mehrwegkonzepten und endet bei einem eigenen Wertstoffhof. „Unser Verantwortlicher für die Reinigung auf dem Festival nimmt das sehr ernst, er möchte seinen Enkel*innen die Welt hinterlassen, die dann auch für sie lebenswert ist“, sagt Stefanie Kneer.

Die Sprecherin des Festivals erklärt: Entscheidend sei nachhaltiges Verhalten ohne Zwang, moralischen Druck und erhobenen Zeigefinger. Servietten gibt’s nur auf Nachfrage. Der Bike-Check ist kostenlos. Vieles passiert beiläufig.

Was du als Festival-Besucher*in tun kannst

Ein nachhaltiges Festival zeichnet sich durch viele Maßnahmen aus, die ökologische, soziale und ökonomische Aspekte mitdenken. 

Du willst deinen Teil beitragen? So geht’s:

🔎 Wähl dein Festival bewusst:

Such nach Veranstaltenden mit transparenten Nachhaltigkeitskonzepten – viele Infos findest du auf der Website oder in Nachhaltigkeitsberichten. Manche nachhaltige Festivals sind auch nach ISO 20121 und EMAS zertifiziert.

🚆 Reise klimafreundlich an:

Bahn, Fahrrad, Shuttlebusse oder Fahrgemeinschaften – Hauptsache nicht allein im Auto.

🥤 Bring dein Equipment mit:

Faltflaschen, Besteck, eigene Becher. Müllsäcke nicht vergessen.

🚯 Vermeide Müll:

Wenn das Festival keine Sammelstelle für Pfand oder Müllsäcke anbietet: Nimm den Müll wieder mit. Trenne den Müll. Festivalbändchen mit RFID-Chips zum bargeldlosen Bezahlen solltest du wie Elektroschrott entsorgen und auf keinen Fall irgendwo wegwerfen.

🍜 Iss bewusst:

Regionale, bio-zertifizierte Angebote, gern auch vegetarisch oder vegan.

🌳 Respektier die Natur:

Bleib auf den Wegen, achte Schutzgebiete, nutz Taschenaschenbecher, dreh die Musikbox auch mal runter.

🤝 Leihen statt kaufen:

Zelt und Pavillon ausleihen statt neu kaufen – das spart Ressourcen und du gehst sorgfältiger damit um.

Nachhaltigkeit endet nicht am Festivalzaun

Und diese Tipps sind nicht nur für die Festivalsaison geeignet, so Stefanie vom Tollwood Festival. Was auf dem Festival gut funktioniert hat, kann ich vielleicht „auch zu Hause umsetzen oder im Alltag vielleicht mal öfter öffentlich fahren und nicht immer ins Auto steigen“.

Nachhaltigkeit auf Festivals: Was bleibt, wenn der Bass verklingt?

„Ein Festival ist nie klimaneutral, das bekommen wir nicht hin. Das ist aber auch der Mensch an sich nicht“, sagt Stefanie. Sie sagt, dass das Tollwood die entstandenen Emissionen ausgleicht.

Wichtiger als Perfektion ist die Richtung und der Wille zur Veränderung. Immer mehr Veranstalter*innen setzen auf Mülltrennung und -vermeidung, Inklusion, faire Strukturen, pflanzliche Ernährung und bewusstere Mobilitätskonzepte. Der Druck kommt dabei zunehmend aus dem Publikum. „Je jünger das Publikum, desto größer das Interesse und die Erwartungen“, beobachtet Stefanie.

Denn klar ist: Vollständig klimaneutral oder nachhaltig wird kein Großevent sein. Aber Veranstaltende und Festivalbesucher können sich so verhalten, dass möglichst wenig Umweltschäden entstehen. Das würde ich mir auf mehr Festivals wünschen.

🔄 Teile deine Festival-Erfahrungen!

Wie nachhaltig war dein letzter Festivalbesuch? Was hat dich gestört, was lief gut? Schreib uns auf

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Was kostet mehr – eine grüne Musikbranche oder das „Business as usual“?

Du willst mehr zum Thema? Der Podcast „Reeperbahn Festival Deep Dive“ geht dieser Frage auf den Grund. In Folge #04 spricht Expertin Hanna Mauksch über CO₂-Treiber wie Tourneen, Vinyl und Merchandise, aber auch über Chancen und Innovationen. Mit dabei: Stimmen aus der Praxis, u. a. vom Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft.