In kleinen Schlauchbooten erreichen Flüchtlinge Großbritannien. Dort will die Regierung von Noch-Premierminister Boris Johnson sie nicht haben und hat einen Deal zu Abschiebungen mit Ruanda beschlossen. Dorthin sollen die Flüchtlinge ausgeflogen werden - egal, woher sie eigentlich stammen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Pläne gestoppt. Großbritannien will dennoch daran festhalten.
Ausgerechnet London machte jüngst Schlagzeilen mit einem fragwürdigen Menschenhandels-Deal. Ausgerechnet das stolze Empire, die älteste Demokratie Europas, eines der Gründungsmitglieder des Europarates. Großbritannien pfeift auf Menschenrechte, interpretiert Rechtsstaatlichkeit nach Lust und Laune und verkommt zu einem gefährlichen Präzedenzfall für ganz Europa.
Flüchtlinge, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien paddeln, sollen umgehend abgeschoben werden. Und zwar nach Ruanda, um dort einen Antrag auf Asyl zu stellen. Das Königreich bezahlt für den Deal ohne Skrupel viele Millionen Pfund und setzt auf ein autokratisches Regime in Ostafrika. Kein Wunder, dass einige Organisationen Alarm schlagen. Die Stimmen sind allerdings nicht laut genug.
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— Kazadi Angel/ Fairy Godmother (@AngelKazadi) July 25, 2022
Die europäische Flüchtlingspolitik ist ein Desaster und kippt in den Bereich des Zynischen, betrachtet man die blanken Fakten. Von den mehr als 80 Millionen Flüchtlingen weltweit kommen gerade einmal zehn Prozent nach Europa. Gemessen an der gesamteuropäischen Bevölkerungszahl nicht erwähnenswert. Gemessen am finanziellen Reichtum der EU beschämend.
Zu viele verantwortliche Staatsfrauen und Staatsmänner Europas verweigern sich einer Aufnahme von Geflüchteten. Einige stehen im Verdacht, illegale Pushbacks an ihren Grenzen zu organisieren, ziehen Mauern hoch, pferchen Alte, Frauen, Kinder und Kranke in Lagern zusammen, deren Verhältnisse keinem Leben würdig sind.
Sie schieben Menschen ab, die auf der Suche nach Schutz und einem unversehrten Leben sind und entledigen sich damit aller globalen Verantwortung. Europa soll zur Festung werden, koste es, was es wolle – auch Menschenleben, solange es nicht die eigenen sind.
Diese Tendenz ist besorgniserregend. Fallen alle Tabus wie in Großbritannien
können wir einpacken.
Die Antwort ist einfach: Wir fürchten um unsere Komfortzone, um unseren Wohlstand, um Gewohntes, was sich ändern könnte.
Vor wenigen Wochen haben sich die Innenminister und Innenministerinnen der europäischen Staaten auf eine gemeinsame Migrationspolitik verständigt. Besser spät als nie, möchte man denken. Nach jahrelangen Blockaden soll es kleine Fortschritte geben. In der Umverteilung von Flüchtlingen etwa und bei der Entlastung Griechenlands, Italiens und Spaniens.
Kritiker verunglimpfen diesen Kurs als ein falsches Signal für potenzielle Ankömmlinge. Menschen aus dem globalen Süden könnten sich eingeladen fühlen, in die EU zu fliehen. Selbst wenn das so wäre – die große Zahl der Binnenflüchtlinge spricht dagegen – könnten sie hier ein böses Erwachen erleben: Nämlich, dass wir Europäer uns selbst die Nächsten sind.
Fragwürdiger Deal zur Abschiebung von Flüchtlingen