Gesellschaft

Plötzlich ist dein Kind behindert – Ein Leben zwischen Schmerz und Liebe

Host Charlotte Mattes, link, rechts Stefanie Schuchmann. Beide lächeln in die Kamera
Christian Spangenberg

Die vierjährige Elena wird nach einem Infekt behindert, das Leben von Elenas Familie ändert sich schlagartig. Elenas Mutter Stefanie berichtet im Podcast davon.

Wenn Kinder plötzlich schwer erkranken: Epileptischer Anfall nach Infekt

Es ist der Alptraum aller Eltern, das eigene Kind muss auf die Intensivstation. Stefanie Schuchmann ging es vor zehn Jahren so. Ende September 2015 kommt ihre vierjährige Tochter ins Krankenhaus, bekommt dort einen epileptischen Krampfanfall und wird sogar ins künstliche Koma versetzt. Vorangegangen ist ein normaler Infekt mit Fieber. Von diesem erholt sich ihr Kind, wird aber zwei Tage später sehr müde, fängt an zu speicheln. Im Krankenhaus wird klar: Hier stimmt etwas nicht. 

Das bedeutet FIRES-Epilepsie

Auf der Homepage des Universitätsklinikums Schleswig Holstein wird FIRES-Epilepsie wie folgt definiert.
FIRES-Epilepsie ist eine der schwersten Hirnerkrankungen bei zuvor völlig gesunden Kindern. Die Erkrankung tritt nach fieberhaftem Infekt plötzlich auf. FIRES ist sehr selten und die Ursache unbekannt. Bundesweit gibt es rund 80 Kinder, die an FIRES erkrankt sind. Oft ist eine wochenlange Komatherapie erforderlich und die meisten Kinder erleiden Spätschäden.

Heute zehn Jahre später sitzt Stefanie bei mir im Podcast-Studio und erzählt von der Zeit damals, aber auch von ihrem aktuellen Alltag. Einmal mussten wir den Termin verschieben, da Elena ins Krankenhaus musste. Sie hat epileptische Krampfanfälle, in der Regel nachts. Durch die Pubertät der Vierzehnjährigen häuften sich diese Anfälle wieder und würden teilweise auch tagsüber auftreten, erklärt Stefanie. Die 49-Jährige weiß heute: „Die Epilepsie hat in Elena geschlummert, durch den Infekt ist sie getriggert worden und dann ausgebrochen.“ Auch Elenas Gehirn ist stark geschädigt. Was ihr passiert ist, wird unter „FIRES“ zusammen gefasst. Elena kann nicht mehr sprechen und ist auch sonst in fast allen Bereichen auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Sie ist voll pflegebedürftig, das heißt Stefanie muss sie wickeln und sie beim Zähneputzen unterstützen. 

Familienalltag mit schwer kranker Tochter: Unterstützung, Struktur und schöne Momente

Host Charlotte Mattes schaut auf Smartphone von Stefanie Schuchmann. Sie sitzen im Podcast-Studio in Frankfurt.
Christian Spangenberg
Stefanie Schuchmann zeigt ein Video, wie ihre Tochter Elena voller Freude Kissen auf die Couch wirft.

Früher war Elena ein sehr aktives und offenes Kind. Sie habe zum Beispiel schon mit zwei Jahren Schlittschuh laufen können, erzählt Stefanie Schuchmann. Die Familie liebt Eishockey, seitdem Elena ein kleines Baby war, war sie mit in der Frankfurter Eissporthalle, bei den Löwen Frankfurt. 

Diese offene Art habe Elena immer noch, sie sei auch nie aggressiv und häufig zufrieden, erklärt Stefanie Schuchmann. Besonders viel Freude mache es ihr herumzulaufen oder manchmal mit einem Ball spielen. Seit ein paar Wochen hat sie eine neue Leidenschaft: Kissen werfen. Stefanie hat mir ein Video gezeigt, das eine sehr glücklich wirkende Vierzehnjährige zeigt, die vor dem Sofa steht und mit voller Wucht Kissen darauf schleudert und dann sehr laut lacht.  

Arbeiten, Urlaube, Durchhalten: So bewältigt Stefanie den Alltag mit ihrer Tochter

Während der Podcast-Aufnahme weint Stefanie sehr viel. Diese starke emotionale Reaktion zeigt mir, wie einschneidend und emotional es ist, wenn dein eigenes Kind so stark erkrankt und es keine Aussicht auf Besserung gibt. Stefanie hadert immer wieder mit der Situation und spürt auch häufig eine Trauer. Außerdem fragt sie sich schon manchmal, warum es ihre Tochter getroffen hat und ob das irgendeine Bedeutung hat. Denn die 49-Jährige hat schon andere heftige Schicksalsschläge hinter sich.

Auf der anderen Seite erzählt sie immer wieder, dass sie und ihr Mann nicht mit dem Leben aufgehört haben, das ihnen gut tut. 

Was aber auch deutlich wird: Der Kampf um so viele Dinge, zum Beispiel eine adäquate Betreuung für ihr Kind in den Ferien, zehrt. Dazu kommt der Schlafmangel. Da Elena gerade in den Nächten häufig Krampfanfälle hat. 

Elena abgeben? Keine Option!

Auch wenn das Leben anstrengend und getaktet sei, wären Stefanie und ihr Mann nie auf die Idee gekommen, Elena in eine Pflegeeinrichtung abzugeben. In den letzten zehn Jahren dachte die Mutter von zwei Kindern immer: 

Das ist doch unser Kind! Ein gesundes Kind würde sie ja auch nicht einfach abgeben.

Segnung am 10. Jahrestag der Erkrankung

Stefanie zieht auch aus ihrem Glauben Kraft und er gibt ihr Halt. Stefanies Wunsch war es, dass Elena konfirmiert wird. Das hat aus unterschiedlichen Gründen leider nicht geklappt. Aber ihr Wunsch, dass Elena gesegnet wird, steht jetzt am 28. September an. Dieses Datum ist kein Zufall, sondern der zehnjährige Jahrestag ihrer Erkrankung. Mutter Stefanie ist sich sicher, dass dieser Tag auch traurig wird. Aber sie möchte auch die Perspektive wechseln.

 „Wir geben sie unter einen Schutz, die Segnung ist etwas Schönes.“

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Die Geschichte von Stefanie hat mich sehr berührt, teilweise auch traurig gemacht. Ich habe selbst zwei Töchter, meine kleine ist auch vier Jahre alt. Manchmal habe ich mir vorgestellt, wie stark sich unser Familienleben verändern würde und wie hart es für Stefanie gewesen sein muss und ist. Außerdem hat Stefanie sehr deutlich gemacht, wie viel pflegende Eltern leisten und, dass sie über Grenzen gehen müssen, um die Pflege ihrer Tochter zu gewährleisten.

Diesen Punkt finde ich sehr wichtig, weil diese Arbeit oft nicht gesehen wird.
Ich bedanke ich mich an dieser Stelle bei Stefanie für ihre Offenheit und dafür, dass sie uns mitgenommen hat, in ihren Alltag mit Elena.