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Arbeitswelt

Rente mit 70? Mut zu neuen Modellen in der Arbeitswelt

Renate Haller
Kommentar von Renate Haller

Der Arbeitsmarkt ächzt und jemand fordert: Rente mit 70. Aber muss es nicht auch andere Wege geben, um die Mangelware Arbeitskraft besser einzusetzen?

Sie fehlen überall: Arbeitskräfte. Es mangelt an Köchen und Installateurinnen, an Erziehern und Ärztinnen, an Bademeistern, Pflege- und Pfarrpersonal. Ganz zu schweigen von Sicherheitskräften.

Deren Mangel sorgt aktuell für lange Schlangen von entnervten Reisenden auf den Flughäfen. Pech gehabt.

Wo niemand ist, kann man niemanden einstellen.

Doch so einfach ist es nicht. Die Probleme sind zum Teil hausgemacht, waren lange vorhersehbar und weisen darauf hin, dass sich in der Arbeitswelt etwas grundlegend ändern muss.

Corona hat die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt vorangetrieben

Betroffen sind fast alle Branchen. Nach dem öffentlichen Dienst sind die Kirchen inklusive Diakonie und Caritas die zweitgrößte Arbeitgeberin in Deutschland mit etwa 1,2 Millionen Arbeitsplätzen.

Auch hier fehlt es an Personal in Pfarrhäusern, Kitas, und Pflegeeinrichtungen. Auch die Kirchen müssen ein Interesse daran haben, Lösungen zu finden.

Belastungen durch Corona am Arbeitsmarkt

Die Pandemie ist schuld, dachten viele als sich zeigte, es fehlt an Servicepersonal, um Cafés und Restaurants wieder zu öffnen, oder als der Krankenstand unter den Pflegekräften so hoch war, dass Stationen schließen mussten.

Viele Arbeitskräfte aus dem Ausland sind während der Lockdowns in ihre Heimat gefahren. Und viele kamen nicht zurück. Pflegende haben sich zum Teil umorientiert, weil ihnen die Arbeitsbedingungen zu schlecht sind.

Corona hat die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt vorangetrieben, aber die Ursache liegt anderswo begründet: in der demografischen Entwicklung.

Forderung Rente mit 70

Seit vielen Jahren wissen Politiker und Politikerinnen, Arbeitgeber und Wissenschaftlerinnen, dass Deutschland eine alternde Gesellschaft ist. Die Alten werden älter, die Jungen werden weniger.

Renteneintrittsalter

Das Renteneintrittsalter wird derzeit schrittweise angehoben: Wenn du ab dem Jahr 2029 in Rente gehst, bist du  67 Jahre alt. Zuletzt forderte Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf am 1. August 2022 die Rente mit 70. Bereits im Mai 2022 erteilte Arbeitsminister Hubertus Heil deser Forderung eine Absage. 

Seit man das weiß, diskutieren Expertinnen und Experten, wie die Rentenzahlungen zu sichern sind, und immer wieder kommt der Vorschlag, die Lebensarbeitszeit auszuweiten. Stichwort: Rente mit 70.

Die Finanzierung der Rente ist das eine Problem.

Das aktuell größere ist, dass Frauen und Männer an Schreibtischen, Fließbändern sowie Krankenhausbetten fehlen. Ohne Personal keine Produktion, keine Dienstleistung, kein Service, keine Bildung. Seit Jahren schließen die Verantwortlichen die Augen vor dem Fachkräftemangel und hoffen:

Wird schon gut gehen. Tut es aber nicht.

Seit Jahren steigt die Zahl der Rentenbezieher und sinkt die Zahl der Ausbildungsverträge.

Kinderbetreuung ausbauen - Lösungen für den Arbeitsmarkt

Wenn Arbeitskraft an sich Mangelware ist, sind zwei Dinge notwendig: mobilisieren, was geht, und Arbeit attraktiver machen.

Gemeinsam diskutieren

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Frauen bilden noch immer ein Reservoir, das sich besser für den Arbeitsmarkt gewinnen ließe. Aber Steuergesetze belohnen es, sich dauerhaft um den Haushalt zu kümmern. Sehr viele Frauen erleben, dass sich Erwerbsarbeit „nicht lohnt“, weil die Abzüge zu hoch sind. Erforderlich ist natürlich, die Kinderbetreuung weiter auszubauen.

Notwendig ist auch, Zugewanderten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Deren Zeugnisse müssen anerkannt und wo notwendig Nachschulungen angeboten werden.

Arbeitszeitmodelle sind nicht in Stein gemeißelt

Und schließlich gibt es große Veränderungen in der Frage: 

Wie Menschen leben wollen.

Viele Junge stellen die Arbeit nicht mehr in den Mittelpunkt ihres Lebens. Sie sprechen von einer „Work-Life-Balance“ und wollen mehr Zeit für Familie oder Hobby haben. Das kann man regeln, Arbeitszeitmodelle sind nicht in Stein gemeißelt.

Arbeitgeber, und damit auch Kirchen, Wissenschaft und Politik müssen sich Gedanken machen um die Arbeit von morgen. Man muss es wollen – dann ist vieles möglich.