Soziales

So gelingt Integration: Egelsbach zeigt, wie Geflüchtete ankommen

Sozialarbeiterin Nina Wöllert strahlt, während sie etwas erzählt. Stefan Buckendahl hört ihr aufmerksam zu. Beide sitzen an einem Tisch
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Die Christliche Flüchtlingshilfe in Egelsbach denkt Integration neu. Geflüchtete erleben hier Gemeinschaft, Sicherheit und bekommen eine Perspektive.

Was würdest du tun, wenn dein neues Zuhause ein Container ist? Toilette und Dusche sind auf dem Gang. Eine eigene Küche hast du auch nicht. Das ist für viele Geflüchtete Realität, wenn sie nach Deutschland kommen.

Bei der Christlichen Flüchtlingshilfe Egelsbach-Erzhausen (CFEE) ist das anders. Familien wohnen hier in einer Wohnung mit Küche und Bad. Alleinreisende teilen sich höchstens zu zweit ein Zimmer. In Egelsbach wird aber nicht nur die Unterbringung anders gedacht. Der Ort zeigt an vielen Stellen, wie Integration von Flüchtlingen gelingen kann.

Zu sehen ist ein weißes, dreistöckiges Haus. Im Vordergrund ist ein Kinderrad angeschnitten zu sehen.
Esther Stosch
Hier wohnen einige der 170 Bewohner*innen der CFEE

Sozialarbeiterin Nina Wöllert erlebt täglich, wie sich dieser Ansatz auswirkt: „Die Menschen sind hier deutlich entspannter – und dadurch auch offener. Sie müssen sich nicht ständig mit der Unterbringung beschäftigen.“

Flüchtlingshilfe setzt auf Einzelgespräche

Nina Wöllert ist die pädagogische Leitung der CFEE. Sie sitzt auf einem Stuhl und unterhält sich
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Nina Wöllert ist die pädagogische Leitung der CFEE

Nina ist oft die erste Person, der die Geflüchteten begegnen. „Uns ist wichtig, dass die Bewohner merken, dass wir Zeit für sie haben“, sagt sie.

Keine Warteschlange, keine fünf Minuten Beratung: Jede*r bekommt einen Termin – 60 Minuten Zeit nur für das eigene Anliegen. In der CFEE gibt es keine offenen Sprechstunden, sondern nur feste Termine. „Die Menschen fühlen sich in dieser Zeit wahrgenommen, da nicht zehn weitere Menschen vor der Tür stehen, die auch gerne beraten werden möchten“, sagt Nina.

Die Sozialarbeiterin betont: „Der Mensch ist der Experte seines eigenen Lebens“. Das heißt, jede*r ist für die eigenen Sachen zuständig. Sie hilft lediglich dabei, zum Beispiel beim Ausfüllen von Formularen.

Ninas Ziel: Selbstständige Menschen, die keine Unterstützung mehr brauchen. Vielleicht haben sie bei ihrem Auszug auch „eine Vision von dem, was sie in Deutschland erreichen möchten.“

Die Geschichte der Egelsbacher Flüchtlingshilfe

Ende der 1980er: Gründung durch die evangelische und katholische Kirchengemeinde, heute getragen von Caritas, Evangelischem Dekanat Dreieich-Rodgau und den beiden lokalen Kirchengemeinden.
2014: Kauf & Sanierung eines alten Seniorenheims → mehr Kapazität für Geflüchtete
2015/16: Gut vorbereitet in der „Flüchtlingskrise“, trotz Container-Notlösung
2025: Rund 170 Menschen leben in CFEE-Häusern in Egelsbach

Wohnen, beraten, begleiten – die drei Säulen der CFEE

Stefan Buckendahl engagiert sich seit über 25 Jahren. Er ist einer von drei ehrenamtlichen Geschäftsführern. Er erklärt, was die drei Säulen der Arbeit der CFEE sind:

  • menschenwürdige Unterbringung
  • Sozialarbeit durch Expert*innen
  • Ehrenamtliche unterstützen, wo es geht

„Wenn ich an 2015 denke, war es hervorragend für Egelsbach, dass wir bereits so eingeschwungen gearbeitet haben“, erinnert sich Stefan.

Mit Skeptikern ins Gespräch kommen

Stefan Buckendahl ist einer der drei ehrenamtlichen Geschäftsführer der CFEE. Er hört aufmerksam zu
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Stefan Buckendahl ist einer der drei ehrenamtlichen Geschäftsführer der CFEE.

Bevor die CFEE das Gebäude bezieht, geht sie auf die Nachbar*innen zu und holt sie mit ins Boot. Damit will sie möglichen Bedenken und Ängsten entgegentreten: „Die Kirche ist euer Nachbar und nicht jemand Anonymes.“

Notlösung Wohncontainer

2016 wird der Wohnraum so knapp, dass die Egelsbacher Einrichtung nun doch Container aufstellen muss. In diese Zeit wird die CFEE bestätigt, „wie negativ sich die Unterbringung im Container mit Gemeinschaftsküchen und -bädern auf Lebensgefühl und Sozialarbeit auswirkt.“

Flüchtlinge sind in Egelsbach willkommen

Im Egelsbacher Rathaus trifft die CFEE auf offene Ohren. Stefan stell klar: 

 Wir sorgen allerdings auch dafür, dass wir gehört werden.

Das weiß auch Egelsbachs Bürgermeister Tobias Wilbrandt. Im Rückblick auf den „Flüchtlingssommer“ 2015 erinnert er sich an viel Unterstützung. Jeden Morgen um sieben Uhr hätten sich die Ehrenamtlichen in der Hochphase zusammengesetzt. Das sei die besondere Stärke von Egelsbach. „Das war keine Leistung von einer oder mehreren Personen, sondern das war der ganze Ort gemeinsam“, sagt er.  

Wer in Egelsbach Fuß fassen will, sollte sich in den Vereinen engagieren, erklärt der Bürgermeister. Der Sportverein mit seinen über zweitausend Mitgliedern sei ein gutes Beispiel, findet Stefan Buckendahl. Vor 10 Jahren habe der Verein kostenlose Sportangebote speziell für Flüchtlinge angeboten, von Fußball über Boxen bis zu Tai Chi. „Das hat einen Nachhall gefunden, sodass es bis heute Angebote für Geflüchtete gibt“, erzählt er.

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Integriert in die Egelsbacher Gemeinschaft

Tobias Wilbrand in seinem Büro
Esther Stosch
Tobias Wilbrand ist Bürgermeister in Egelsbach

Auch wenn in Egelsbach vieles gut laufe beim Thema Integration, ist Wilbrandt wichtig: „Bei aller Euphorie und Verständnis dafür, dass man Menschen in Not helfen muss. Diesen Menschen muss auch so geholfen werden, dass sie sich integrieren können.“ Dafür brauche es ausreichend Begleitung. Wenn aber die Zahl der Menschen, die begleitet werden müssen, immer größer werde, die Zahl der Begleiter nicht unbegrenzt wächst, „dann gibt es irgendwann ein Mismatch und damit ein Problem“.

Auch Nina will Kontakt zwischen Egelsbacher*innen und den Bewohner*innen herstellen. Im Sommer hat sie dafür ein „Community-Picknick“ veranstaltet. Auch einige der früheren Bewohner*innen engagieren sich heute ehrenamtlich für die CFEE.

10 Jahre „Wir schaffen das“ in Egelsbach

Nina arbeitet seit 10 Jahren in der Fluchtsozialarbeit. Das habe ihren Blick auf die Welt verändert. „Es sind immer Angebote, die mit der Zuwanderung kommen. Ich nehme diese sehr gerne an und schaue, ob ich sie in mein Leben integrieren kann“, sagt die Sozialarbeiterin.

Ihr ist es wichtig, dass die Geflüchteten „weiterhin als Menschen gesehen werden.“ Das ginge in der aktuellen Debatte oft unter.

Mit Blick auf 10 Jahre „Wir schaffen das“ zieht Stefan Buckendahl sein persönliches Fazit: „Ich glaube, ich würde es wieder so machen. Wir haben es ehrlich und mit Liebe gemacht. Es ist nicht schlimm, wenn mal was schiefgeht. Das kann man alles wieder geradebiegen.“ 

Drohenaufnahme von Egelsbach in Südhessen
Christian Spangenberg
Im südhessischen Egelsbach leben rund 11.000 Menschen

Egelsbach zeigt, wie Integration im Ort gelingen kann. Die Gemeinde kann als Beispiel oder Vorbild für andere Kommunen dienen, die sich daran orientieren wollen. 

Wie denkst du darüber? 

Kennst du weitere Orte, wo Integration in die Ortsgemeinschaft so gelingt, wie in Egelsbach? Erzähl uns davon gerne per Mail oder über unsere Social-Media-Kanäle: 

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