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Klimakrise

„Letzte Generation“: Wie weit darf Protest gehen?

Pro und Contra "Letzte Generation"
indeon.de
PRO CONTRA
Detlef kann die Proteste der sogenannten „Letzten Generation“ nachvollziehen, Gerd-Matthias hält dagegen.

Sind die Protestaktionen der „Letzten Generation“ angemessen oder gefährlich? In unserem Pro & Contra diskutieren wir die Argumente.

Die Gruppe „Letzte Generation“ ist wegen ihrer radikalen Proteste umstritten. Die Aktivisten kleben sich auf Autobahnen auf dem Asphalt fest und bewerfen Kunstwerke in Museen mit Lebensmitteln. Sind solche radikalen Proteste angemessen? Ja, findet unser Redakteur Detlef. Es ist notwendig, der Klimakrise damit Aufmerksamkeit zu verleihen. Nein, findet hingegen Chefredakteur Gerd-Matthias Hoeffchen. Mit solchen Protestformen vergrault man die Menschen

Detlef: Proteste notwendig für den Klimaschutz

Detlef Schneider
Christoph Boeckheler

Ist es okay, mit zivilem Ungehorsam, Sekundenkleber und Kartoffelbrei auf die Gefahren der Klimakrise aufmerksam zu machen? Ja, das ist es.

Notwendig ist auf jeden Fall Aufmerksamkeit. „Ich bin hier, um der größten Gefahr unserer Menschheit Präsenz zu verleihen.“ Mit diesen Worten trat die Klimaaktivistin Aimée van Baalen kürzlich vor die EKD-Synode in Magdeburg. Laut Bericht des Weltklimarates werden die nächsten Jahre die entscheidenden sein, um dem Klimawandel noch entgegenzuwirken. „Ich habe Angst, dass wir dieses Zeitfenster, in dem wir noch handeln können, verpassen“, sagte die Aktivistin.

Mehr als ein paar verirrte Jugendliche

Darauf hinzuweisen und die Politik zum Handeln zu bewegen, das ist das Anliegen der „Letzten Generation“. Sie besteht nicht nur aus ein paar verirrten Jugendlichen. Angeschlossen haben sich unter anderem Wissenschaftler der Gruppe Sciencist Rebellion sowie der Nürnberger Jesuitenpater Jörg Alt samt Ordensbrüdern. Auch sie sind verzweifelt, weil die Warnungen der Wissenschaft seit Jahrzehnten ignoriert werden.

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Stören ist Ziel vom Protest

Ja, der friedliche Protest der „Letzten Generation“ stört, und er trifft die Falschen. Nur: Bei Streiks von Lokführern oder Piloten ist das nicht anders. Den laufenden Betrieb aufzuhalten, das ist das Wesen von Protest. Die Störung führt dazu, dass geltende Regeln und Prioritäten in Frage gestellt werden, erklärt der Protestforscher Simon Teune. Gleiches galt für die Frauenrechts- und die Anti-Atombewegung.

Einige der Kritiker gehen inzwischen so weit, bei der „Letzten Generation“ von „Klima-Terroristen“ zu sprechen. Das ist von der Wortwahl her völlig daneben.

Der eigentliche Skandal ist, dass die Aufregung nicht dem Weltklima gilt.

Die Regierung muss handeln. Wenn wir es in wenigen Jahren mit noch mehr Dürren, Ernteausfällen und Überschwemmungen zu tun haben, mit Millionen Menschen, die in der EU eine neue Heimat suchen – dann ist unser Alltag in sämtlichen Bereichen tatsächlich gestört. Angeklebte Aktivisten und Kartoffelbrei auf den Glasscheiben von Gemälden sind dagegen ein Witz.

Gerd-Matthias Hoeffchen: Menschen für Energiewende nicht vergraulen

Gerd-Matthias Hoeffchen
Unsere Kirche

Ein Eigentor bleibt ein Eigentor, auch wenn die Mannschaft den Treffer als Erfolg feiert. Das Klimaschutz-Bündnis „Letzte Generation“ hat in den vergangenen Wochen etliche Eigentore geschossen. Aktivistinnen und Aktivisten beschmierten Kunstwerke, verursachten Staus und Chaos.

Diese Aktionen stoßen viele vor den Kopf. Auch solche, die der „Letzten Generation“ und deren Anliegen eigentlich zugetan sind. Denn je wilder und heftiger die Aktionen werden, desto weiter dürften die Chancen sinken, genügend Menschen für die Energiewende zu gewinnen.

Das aber wäre bitter notwendig. Wir leben in einer Demokratie – und da braucht man nicht nur die richtigen Überzeugungen, sondern auch Mehrheiten, um diese politisch umzusetzen.

Nicht blind losstürmen

Sicher, man kann die „Letzte Generation“ verstehen: Die Zeit drängt, die Uhr steht bei der drohenden Klimakatastrophe auf eine Minute vor Zwölf. Viele junge Menschen sind verzweifelt: Wenn nicht JETZT etwas geschieht, werden wir die letzten sein, die auf einer halbwegs intakten Erde leben. Aber gerade WEIL das Ziel so wichtig ist, kommt es darauf an, jetzt nicht blind loszustürmen.

Das ist ein Balance-Akt. Die Menschen müssen wachgerüttelt werden, man darf sie aber nicht vergraulen. Eine ganze Zeitlang hat die „Letzte Generation“ das bemerkenswert gut hinbekommen. Respekt. Inzwischen aber erinnern ihre Aktionen an einen Pastor, der seine Gemeindemitglieder beschimpft, ihnen die Fenster einwirft und die Reifen zersticht, damit sie doch – bitteschön! – endlich in seinen Gottesdienst kommen mögen.

Die Menschen müssen mitgenommen werden

Menschen wachrütteln, nicht vergraulen.

Überzeugen, betroffen machen, vor Augen führen, was morgen passiert, wenn wir nicht heute handeln – das ist der Weg. Das kann gerne auch dramatisch geschehen. Aber bei all dem muss das Ziel sein: die Menschen mitzunehmen, um Mehrheiten zu schaffen. 

Aus Verzweiflung drauflos dreschen? Wer gewinnen will, darf sich keine weiteren Eigentore leisten. Es geht ums Überleben.

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