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Deserteure

Russische Kriegsdienstverweigerer aufnehmen

Renate Haller
Kommentar von Renate Haller

Hunderttausende Russen verlassen ihr Land. Sollen die Deserteure des Asyl bekommen? Wer Schutz sucht, soll ihn bekommen, meint unsere Autorin Renate.

Der streitbare ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat den Anfang gemacht. „Junge Russen, die nicht in den Krieg ziehen wollen, müssen Putin und sein rassistisches Regime endlich stürzen, anstatt abzuhauen und im Westen Dolce Vita zu genießen.“

Schnelle Aufnahme von Deserteuren gefordert 

Mit seiner ebenso markigen wie falschen Forderung wandte er sich gegen diejenigen, die für russische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in Deutschland eine schnelle Aufnahme fordern. Und steht damit leider nicht allein. 

Die Debatte um Asyl für russische Deserteure entbrannte, nachdem Präsident Wladimir Putin in Russland die Teilmobilmachung angeordnet hat, um Reservisten einziehen zu können. Angekündigt hat er 300.000 weitere Soldaten, es könnten aber auch viel mehr werden. Sofort bildeten sich an den Grenzen zu den Nachbarländern lange Schlangen von alleinreisenden Männern und von Familien, die das Land verlassen wollten. 

Baltische Länder wollen keine Russen

Die baltischen Länder und Polen winken gleich ab, sie wollen keine Russen aufnehmen. Damit ist klar, dass es keine einfache Lösung innerhalb der Europäischen Union geben wird. 

In Deutschland werden Sicherheitsbedenken laut, die Bild-Zeitung fragt, ob wir Russlands Krieg importieren wollen. Andere meinen, den Zuflucht suchenden Ukrainern – zumeist Frauen und Kinder – sei nicht zuzumuten, dass sie hierzulande auf Russen stoßen.

Es ist nicht verwerflich, dass Männer ihr Leben retten wollen. 

Außerdem hätten Kritiker von Putins Politik das Land bereits nach Beginn des Krieges im Frühjahr verlassen. Wer jetzt noch komme, habe keine politische Haltung, sondern sei Teil der russischen Bevölkerung, die sich um nichts kümmere, solange sie in Ruhe gelassen werde.

Russen verlassen das Land

Putins Mobilmachung lässt viele Russen aus ihrem Land flüchten. Mehr als 300.000 zusätzliche Soldaten sollen in den Ukraine-Krieg eingreifen. Einberufen werden wohl mittlerweile auch Männer ohne militärische Grundausbildung. An den Grenzen gibt es nach Recherchen von Spiegel Online kilometerlange Schlangen, die sich kaum bewegten. Vielen Menschen warteten tagelang bis sie die Grenzen überqueren könnten. Immer mehr ließen ihre Autos stehen, da sie zu Fuß schneller vorankämen. Allein in den ersten sieben Tagen nach der Mobilmachung hätten, so die Spiegel-Redaktion, 700.000 Russen und Russinnen ihre Heimat verlassen. An den sechs besonders häufig genutzten Grenzübergängen habe sich die Zahl der erfassten Autos im Vergleich zu den Tagen vor der Mobilmachung  mindestens verdoppelt, zum Teil auch verdrei- und vervierfacht. Allein an den drei südlichsten Grenzübergängen nach Finnland liege die absolute Zunahme an erfassten Autos zwischen 150 und 200 Autos pro Tag. Allerdings werde vermutet, dass die Zahl tatsächlich noch höher sei. Der Spiegel (Achtung Spiegel plus-Artikel) hat dafür Daten des russischen Zolls und des Anbieters TomTom ausgewertet.

Russische Bevölkerung ist eingeschüchtert

Touché. Hehre Ideale kann man schnell mal in die Welt blasen. Klar wäre es toll, wenn in Russland so viele Menschen auf einmal auf die Straße gehen, dass die Knüppel schwingenden Polizisten Reißaus nehmen. Aber eine seit langem mit Lügen und Propaganda überflutete und durch massive staatliche Repressalien eingeschüchterte Bevölkerung bleibt leider offensichtlich lieber zu Hause und verschließt Türen, Augen und Ohren. Dennoch ist es nicht verwerflich, dass Männer den Kriegsdienst verweigern und ihr Leben retten wollen. 

Die Ukrainer verteidigen mit ihrem Kampf ihr Land und westliche Werte. Wo bleiben diese Werte, wenn der Westen russischen Deserteuren Schutz verweigert, den andere bekommen? Wer hat den Syrern entgegengerufen, „Bleibt zu Hause! Kämpft gegen Assad?“ 

Ein Rechtsstaat zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass seine Gesetze für alle gelten. Auch für Russen. Und natürlich auch mit den dafür vorgesehenen Sicherheitsüberprüfungen.