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Travestie

Pfarrer als Drag-Queen

Mann verkleidet als Frau, geschminkt mit roter Lockenperücke
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Schon lange kämpft Nulf Schade-James für die Gleichstellung von Homosexuellen in der Kirche. Jetzt feiert er eine Travestie-Show in Frankfurt.

So richtig wollen die langen, glitzernden Kunst-Wimpern auf dem Augenlied des Frankfurter Gemeindepfarrers Nulf Schade-James nicht halten. Und obwohl die Travestie-Gala im Keller der Friedenskirche im Gallus in knapp einer Stunde losgeht, bleibt der 64-Jährige tiefenentspannt. 

Nulf Schade-James verwandelt sich in Drag-Queen

Zwei Stunden braucht der schwule Pfarrer ungefähr, um sich in die Kunstfigur „Greta Gallus“ zu verwandeln: Eine stark geschminkte Dame mit üppigem Busen, grünem Glitzerkleid und bunter Locken-Haarpracht, die gerne poltert, aber auch  verletzlich ist. Wenn Schade-James nicht auf der Kanzel predigt, tritt er gelegentlich als Travestie-Künstlerin auf. 

Jeder Mensch sollte etwas Glitzer hinterlassen!

Was ist Travestie?

Bei Travestie-Shows verkleiden sich Personen als ein anderes Geschlecht und spielen eine bestimmte Rolle - oftmals überzogen. Sie spielen also zum Beispiel eine Diva. Diese Leute nennen sich Drag-Queens oder Drag-Kings. Das Ganze ist bitte nicht zu verwechseln mit trans Menschen. 

„Als ich klein war, wollte ich genau zwei Sachen werden: Pfarrer und Drag-Queen. Ich gehöre auf die Bühne“, erzählt der Theologe, während er ein kleines Döschen mit Glitzer aus seinem rosa Beauty-Koffer fischt: „Ich sag immer: Jeder Mensch sollte etwas Glitzer hinterlassen, das braucht die Welt.“

Das Schminken habe etwas Meditatives, meint der Pfarrer. Außerdem gefällt es ihm, wenigstens für ein paar Stunden wieder Haare auf dem Kopf zu haben, scherzt er. Nur an das Laufen auf High-Heels könne er sich nicht so recht gewöhnen. 

Vier als Frauen bunt verkleidete Männer
epd/Thomas Lohnes
Die Travestie-Gruppe kurz vor dem Auftritt

Das ist Nulf Schade-James 🌈

Zur Person: Nulf Schade-James wurde 1958 in Gedern bei Frankfurt geboren. Er studierte Theologie in Frankfurt und Heidelberg, bevor er in Wiesbaden und Kairo als Vikar tätig war. Seit 1989 ist er Pfarrer in der Evangelischen Friedensgemeinde, heute Evangelische Kirchengemeinde Frieden und Versöhnung in Frankfurt. Seit 1997 lebt er mit seinem Mann und seinem Ziehsohn im Pfarrhaus.

Travestie-Idee kommt auf dem Kirchentag

Bereits 1983 gründete der Hesse mit einem gleichgesinnten Pfarrer-Kollegen das Duo „Sodom und Gomorrha“. Damals auf dem Kirchentag in Hannover. „Wir wollten provozieren!“, blickt Schade-James zurück. Seit der Auflösung des Gespanns ist er als „Greta Gallus“ unterwegs. 

Eigentlich ist das hier übrigens das Büro der Gemeindepädagogin, wie Schade-James erzählt, der seit 1989 Pfarrer in der Kirchengemeinde Frieden und Versöhnung ist. An der Wand hängt ein goldenes Kreuz, vor dem Bücherregal ist ein Kleiderständer geparkt mit bodenlangen Kleidern mit vielen Pailletten und Tüll. 

Erste Gala vor Corona mit Cristina aus Amsterdam

Frau mit blonden Haaren und rosa Kleid neben Travestie-Sänger
privat
Reporterin Carina mit Nulf Schade-James

2019 hatte die Frankfurter Gemeinde die Idee zu einer „Gala der Travestie“ – damals als Erinnerung an den 50. Jahrestag des Aufstands gegen den Polizeieinsatz in der New Yorker Szenebar "Stonewall Inn". Er gilt als Beginn der queeren Bewegung. 

Ehrengast auf der ersten Gala war ein Urgestein der Travestie-Szene: Cristina aus Amsterdam. Der inzwischen verstorbenen Travestie-Künstlerin widmet Schade-James die diesjährige Show. Schon in der Vergangenheit veranstaltete die Gemeinde im Gallus Faschingspartys. Feiern kann die Gemeinde, so viel steht fest. Und weil es in Frankfurt keine Travestie-Bühne mehr gebe, sei es Zeit gewesen, eine Neue zu schaffen, meint Schade-James. 

Nulf Schade-James kämpft für Homosexuelle

Der Pfarrer ist bekannt für seinen unermüdlichen Kampf für die Rechte Homosexueller innerhalb der Landeskirche. Im Herbst 2001 trug er mit einer emotionalen Rede vor der Synode dazu bei, dass das Gremium ein Jahr später mit großer Mehrheit die Segnung homosexueller Partnerschaften in der Kirche ermöglichte.

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Buchhinweis

Das E-Book von Nulf Schade-James „Gottes Kleid ist Bunt: Wie ein schwuler Pfarrer die Kirche veränderte“ ist zum Beispiel über Google Play Bücher für 9,99 Euro zu bestellen. 

In seiner Gemeinde entschied der damalige Kirchenvorstand schon 1994, dass homosexuelle Paare in der Friedenskirche, etwas später auch in der damaligen Versöhnungskirche, heiraten durften. Seit 1983 war die Kirche außerdem Treffpunkt für die Gruppe „Homosexuelle und Kirche“. Jedes Jahr trommelt Nulf Schade-James seine Anhängerinnen und Anhänger zum Christopher Street Day Frankfurt. 

Frankfurter Gemeinde steht vor ihrem Pfarrer

Die Gemeinde ist stolz auf ihren Pfarrer. „Unsere Gesellschaft ist bunt. Und die Kirche ist auch viel bunter, als viele Leute denken“, betont etwa die Gemeindepädagogin für Kinder und Jugendliche, Fa-Rung Rath. Viele Menschen auch außerhalb des Gallus würden sich ganz bewusst für die Gemeinde in der Frankenallee entscheiden. Die Sache mit der Travestie-Show findet die 34-Jährige großartig: „Ich war früher Make-Up-Artist, deswegen ist das natürlich meine Welt!“ 

Im Gemeindekeller erinnert heute Abend nicht viel an Kirche. Von der Decke hängen rote Herzen und eine Diskokugel. Auf den Tischen liegen dunkelrote Samt-Deckchen mit Glitzerstaub. „Heutzutage darf man über alles reden. Und genau deswegen passt Travestie genau hier rein!“, findet Brigitte aus dem Publikum, die sich einen pinken Federschal über die Schultern drapiert hat. 

Viele Schwulen und Lesben aus der Kirche ausgetreten

„Es ist immer gut, wenn der Pfarrer die Menschen glücklich macht“, sagt Nulf Schade-James. Besonders nach den Lockdowns freue er sich über lachende Gesichter. Travestie in der Kirche – vermutlich gefällt das nicht jedem. „Persönlich hat sich noch nie jemand bei mir beschwert. Das trauen sich die Leute gar nicht“, ist der Pfarrer überzeugt und betont: „Wie viele schwule Männer und lesbische Frauen sind aus der Kirche ausgetreten, weil sie nicht gewollt waren!?“ Da müssen wir ganz viel dran arbeiten und Gutes leisten.“

Mann als Frau verkleidet singt auf der Bühne mit Mikrofon
epd/Thomas Lohnes
Nulf Schade-James auf der Bühne

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