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Was Kirche anders macht

Ohne Leistungsdruck: Räume für junge Menschen

Techno-Gottesdienst in Berlin zum evangelischen Kirchentag 2017
epd-bild/Thomas Lohnes

Schulstress, Freizeitstress und überall geht es nur um deine Leistung? Da will Kirche etwas anders machen. Aber die Jugendräume sind bedroht.

Morgens geht es gehetzt zur Schule. Heute bekomme ich die Mathe-Arbeit zurück, für die ich sooo lange gelernt habe. Eine 4 minus… toll.

Wofür mache ich mir eigentlich den ganzen Stress und lerne so viel. Gefrustet geht es nach einem langen Tag wieder nach Hause. Schnell essen, Hausaufgaben machen und für die nächste Arbeit lernen.

Nachmittags geht es gestresst und mit einem brummendem Schädel zum Fußballtraining. Natürlich spiele ich heute nicht gut. Der Trainer kommt zu mir und verkündet, dass meine Leistung einfach nicht reicht und dass ich nächstes Spiel auf der Bank sitze.

Verlorene Jugend ohne Kirche? Warum Jugendliche einen Raum für sich brauchen

Frust, Enttäuschung und Trauer kommen in mir hoch.

Ich frage mich, warum muss ich immer meine beste Leistung überall abrufen? Ich will doch einfach nur ich sein und Spaß haben!

Alltag vieler Jugendlicher geprägt von Stress

So ging es nicht nur mir früher, sondern auch heute noch vielen Kindern und Jugendlichen. Ihr Alltag ist meist geprägt von Leistungsdruck. Egal ob in der Schule oder im Sportverein: von allen Seiten wird gefordert, dass Kinder und Jugendliche ihre bestmögliche Leistung abrufen. Sonst hat das natürlich Folgen: Stress für Schüler:innen

Schlechte Noten können die berufliche Zukunft negativ beeinflussen und eine schlechte Leistung im Training wird bestraft mit sitzen auf der Bank oder gar nicht erst mit ins Team fürs Spiel kommen. All das führt zu Frust und Enttäuschung bei den jungen Menschen.

Kirche bietet Räume ohne Leistungsdruck (für jede:n)

Ein Ort, an dem Jugendliche dem alltäglichen Leistungsdruck entkommen können, sind kirchliche Jugendräume. Diese sind „Freiräume, in denen Jugendliche starke Gemeinschaft erleben, so sein dürfen wie sie sind, gemeinsam Spaß haben, aber auch in schwierigen Zeiten zusammenhalten“ sagt Dekan Steffen Held.

Steffen Held vor einem grünem Hintergrund
Stephanie Kunert
Dekan Steffen Held engagiert sich sehr in der Jugendarbeit

Der Langener Pfarrer hat früher selbst Jugend- und Kinderfreizeiten organisiert. „In den Jugendräumen entstehen oftmals wertvolle Beziehungen und Freundschaften und die Jugendlichen kommen über Gott und die Welt ins Gespräch.“

In kirchliche Jugendräume darf jede und jeder kommen, der möchte. Also auch, wenn man nicht an Gott glaubt oder nicht christlich ist.

Gemeindepädagogin Nadja Hepp im Café 46
Jan Thater
Gemeindepädagogin Nadja Hepp

Nadja Hepp ist Gemeindepädagogin im Petrus-Gemeindehaus in Langen und leitet den JugendraumCafé 46“. „In kirchlichen Jugendräumen ist es nicht so wie in der Schule, hier gibt es keinen Leistungsdruck, niemand erwartet von den Jugendlichen, dass sie irgendeine Leistung erbringen müssen“.

Ich bin als Jugendlicher früher regelmäßig ins „Café 46“ gegangen und habe dort Teile meiner Freizeit mit Freunden verbracht. Und es war super!

Ich war frei von Schule und Stress und konnte einfach das machen, worauf ich Lust hatte.

Mein Highlight war immer samstags das gemeinsame „Bundesliga“ schauen. Zusammen mit all meinen Freunden!

Vom Tischkickern bis zu DJ-Workshops: Jugendräume bieten vielfältige Angebote

Zwei Jungs spielen Tischkicker im Café 46
Julian Held
Zwei Jungs spielen Tischkicker im Café 46

Außer Fußball schauen, gibt es natürlich noch einiges mehr, was in Kirche gemacht wird. Ja, beten und singen vielleicht auch, aber in den Räumen für junge Menschen gibt es deutlich mehr als das.

Die Jugendräume bieten eine riesige Vielfalt an Angeboten und Programmen. Und das Beste daran, die Angebote sind in der Regel kostenlos! Die Jugendlichen müssen keinen monatlichen Beitrag zahlen oder Eintrittspreise, um in die Jugendräume kommen zu dürfen.

Das „Café 46“ in Langen bietet beispielsweise auch zwei Mal die Woche Mittagessen für Schüler:innen der nahliegenden Schule an. Dann kochen Schüler:innen für Schüler:innen im Jugendraum und verbringen gemeinsam ihre Freizeit. Nach dem Essen können die Jugendlichen noch Tischkicker spielen oder sich unterhalten.

Zudem gibt es noch wöchentliche Treffen für Kinder und Jugendliche, dann wird gespielt, gebastelt oder gekocht.

Junge Erwachsene sitzen auf Stühlen auf einer Wiese
Jan Thater
Junge Erwachsene gemeinsam vor dem Café 46

Nadja Hepp findet es sehr wichtig, dass „gerade wir als Kirche diese Räume anbieten, da wir die Jugendlichen betreuen und auf sie aufpassen, sie sich dabei aber trotzdem frei und wohl fühlen können“.

Steffen Held stimmt dem zu, denn gerade „Kirche hat den Auftrag, für alle Menschen da zu sein, die Liebe Gottes zu verkünden und Menschen Perspektiven für ein Leben in Freiheit und Verantwortung zu eröffnen“.

DJ dreht an Knöpfen und macht Musik
Julian Held
DJ legt auf in Sankt-Peter

Besonders in der Frankfurter Innenstadt gibt es ein buntes Angebot für Jugendliche, denn die „Jugend-Kultur-Kirche Sankt Peter“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), bietet vielfältige Workshops und Veranstaltungen an.

Es ist für jede und jeden etwas dabei, von Workshops über DJ-ing, Fotografie, Kunst oder Tanz. Aber auch gemeinsame Konzerte oder Gottesdienste dürfen in „Sankt Peter“ nicht fehlen.

Hierbei stehen die Jugendlichen und ihre Interessen im Vordergrund. Die Veranstaltungen und Workshops fördern die Kreativität der Jugendlichen und bringen ihnen neue Erfahrungen. So können die jungen Menschen sich persönlich weiter entwickeln, neue Interessen entdecken und sich ohne Leistungsdruck oder Vorurteile ausprobieren.

Jugendliche genießen gemeinsame Freizeit

Die Kinder der "Kreativ-AG" malen und basteln gemeinsam
Julian Held
Die Kinder der „Kreativ-AG“ basteln und malen gemeinsam

Bei den Jugendlichen kommt das Angebot auch gut an. Beispielsweise im „Café 46“ sind sie sehr zufrieden, dass sie kommen dürfen und dass es so ein Angebot überhaupt gibt.

Der 11-jährige Lars kommt regelmäßig zur „Kreativ-AG“ und genießt die Zeit mit seinen Freunden: „Hier habe ich meine Freizeit und hier kann ich gut runterfahren. Ich kann einfach das machen, worauf ich gerade Lust habe, wie zum Beispiel zeichnen und das ohne irgendwelchen Druck, wie sonst in der Schule.“

Auch die 11-jährige Marie kommt gerne in den Jugendraum. „Hier treffe ich mich mit meinen Freunden und kann mit denen entspannt basteln. Und im Café 46 ist es nicht so wie zu Hause, dass die Mama kommt und sagt: ‚Kannst du mal die Spülmaschine ausräumen?‘, sondern hier habe ich meine Freizeit.“

Jugendliche setzten sich für Erhalt ihrer Jugendräume ein

#jugendbrauchträume

Mehr zu diesem Thema liest du in unserem Artikel „Evangelische Jugend fürchtet um ihre Jugendhäuser“ oder du schaust dir unser Video dazu an.

Aktuell sieht es auf Landesebene leider nicht allzu gut aus für die kirchlichen Jugendhäuser der EKHN. Wegen des Sparprozessesekhn2030“ müssen in Zukunft einige Jugendhäuser und Jugendräume verkauft werden. Doch weil diese Räume für Jugendliche so wichtig sind, hat die Evangelische Jugend in Hessen und Nassau (EJHN) im November 2021 die Kampagne #jugendbrauchträume gestartet, um die Jugendhäuser zu erhalten und um zu zeigen, wie wichtig diese für junge Menschen sind.

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Kirche bietet mehr Vielfalt als Sportvereine oder Parteien

Viele werden trotz der Vielfalt an Angeboten denken, man kann doch auch im Sportverein oder in Parteien sich mit Menschen treffen und dort beispielsweise seine Freizeit verbringen. Ja natürlich, das kann man machen. Doch wenn es keine kirchlichen Jugendräume mehr geben sollte oder nicht mehr genug, dann fallen wichtige Orte ohne Leistungsdruck weg.

Im Sport stehen meistens die Leistungen der Sportler:innen im Vordergrund und die Ergebnisse, die abgeliefert werden. Natürlich gibt es auch Bewegungsangebote ohne Leistungsdruck wie Yoga, doch größtenteils stehen beim Sport die erbrachten Leistungen im Vordergrund. In kirchlichen Räumen ist das nicht so. Es ist nur wichtig, dass die Jugendlichen sich frei und wohl fühlen können und das ohne Druck oder irgendwelchen Erwartungen.

Ähnlich ist es in Parteien. Dort engagieren sich auch viele junge Menschen, allerdings mit einem politischen Ziel und einem damit verbundenen Druck, auch etwas in der Politik zu erreichen und zu verändern. Die Politik der Partei steht im Mittelpunkt und der einzelne Mensch steht in ihrem Dienst.

Natürlich sind Sport und Politik auch sehr wichtige Bestandteile im Leben von vielen von uns. Darauf können wir uns gerne einigen. Und auch Sport und Politik können Spaß machen und uns weiter entwickeln.

Aber sollte es keine Jugendräume mehr in Kirchen geben, dann gäbe es weniger Chancen, dem alltäglichen Leistungsdruck aus Schule, Sportvereinen oder Parteien zu entkommen und sich persönlich weiter entwickeln zu können.

Was wäre, wenn es keine Jugendräume mehr gäbe?

Logo vom Café 46
Julian Held
Logo vom Café 46

Gehen wir mal davon aus, dass es von einem auf den anderen Tag keine Räume mehr für Jugendliche in Kirchen gäbe, dann hätte das Folgen.

Nadja Hepp glaubt, dass viele Jugendliche dann „ärmer an Gesellschaft, Erfahrung und Möglichkeiten“ wären. Das sagt sie aus eigener Erfahrung, denn das „Café 46“ musste wegen Corona schon einmal für einen kurzen Zeitraum schließen.

„Als wir den Jugendraum schießen mussten, haben viele direkt nachgefragt, wann wir endlich wieder aufmachen. Die Jugendlichen suchen einfach den Kontakt und für viele ist das Café 46 einfach ihr zweites Wohnzimmer.“

Dann würde ganz schön was fehlen!

Das sagt auch Steffen Held. „Vor allem Freiräume für Begegnung und Gemeinschaft, Orte, an denen Jugendliche Beziehungen knüpfen und sich ausprobieren können.“

Das kann ich persönlich bestätigen, da ich als Kind und Jugendlicher Großteile meiner Freizeit im Café 46 verbracht habe. Wenn ich mir vorstellen müsste, ohne einen kirchlichen Jugendraum aufwachsen zu müssen, dann wäre meine Jugend ärmer an Spaß, Gemeinschaft, Zusammenhalt und Erfahrungen.

Es würde also für viele Jugendliche ein wichtiger Safe Space wegfallen, den sie sonst in der Art nicht so einfach wieder finden können.