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Kunst des Machbaren

Warmes Wohnzimmer oder ethisch und politisch korrekt?

Renate Haller
Kommentar von Renate Haller

Politik bedeutet, Kompromisse zu schließen. Manchmal gibt es dann nur die Entscheidung zwischen mehr oder weniger schlecht.

Im Schnelldurchgang und auf die harte Tour: Deutschland lernt gerade am Beispiel seiner noch jungen Bundesregierung, dass Politik die Kunst des Machbaren ist.

Ja, Robert Habeck kauft in Katar Flüssiggas ein. Ja, in Katar werden die Menschenrechte mit den Füßen getreten. Ja, eigentlich darf Deutschland deshalb keine Geschäfte mit dem Wüstenstaat machen, erst recht nicht ein Minister der Grünen.

Es ist noch nicht lange her, dass etwa Annalena Baerbock gefordert hatte, die Fußball-WM in Katar abzusagen. Und plötzlich freut sich Parteikollege Robert Habeck, es sei „großartigerweise“ fest vereinbart, eine langfristige Energiepartnerschaft einzugehen.

Kritiker der Grünen schreien laut „Verrat“

Man mag sich verdutzt die Augen reiben, sich in den Chor der Kritiker und Kritikerinnen einreihen, die lauthals „Verrat“ schreien oder sich insgeheim die Hände reiben, weil einem die neue Richtung gefällt. Egal in welche Richtung es geht: Fakt ist, Habeck treibt die Not.

Die Not, sich unabhängiger von Russland zu machen, wo ebenfalls ein Machthaber sitzt, der die Menschenrechte mit Füßen tritt. Wenn die Wohnzimmer in Deutschland im nächsten Winter warm sein sollen, hat der Wirtschaftsminister kurzfristig nur die Wahl zwischen mehr oder weniger schlecht. Aktuell zeigt das Pendel in Richtung Katar.

Deutschland steckt in einem Dilemma

Klar ist aber auch, in welchem Dilemma Deutschland steckt, nicht nur bei der Suche nach Energielieferanten.

  • Wir frönen einem Lebensstil, der nur durch globalen Handel möglich ist.
  • Wir machen Geschäfte mit korrupten Staaten, die Teile unseres Mülls kaufen.
  • Wir exportieren Güter, die in den ärmeren Staaten die heimische Wirtschaft schädigen, die wir im nächsten Schritt wieder mit unserer Entwicklungshilfe päppeln.

Das ist ethisch genauso wenig korrekt, wie in Katar Flüssiggas zu kaufen, das noch dazu eine miserable Ökobilanz hat.

Was also tun? Leben nach dem Prinzip: „Vergiss die Moral, vergiss Umwelt und Menschenrechte, Hauptsache, wir haben es warm?“

Menschenrechte & Frieden: Grenzen, die wir neu bestimmen müssen

Zugespitzt: Ja. Aber: Es gibt Grenzen, worauf man sich einlassen darf oder kann!

An welche Grenzen dürfen wir stoßen?

Egal ob Flussiggas aus Katar, Kleidung aus Bangladesh oder seltene Rohstoffe für unsere Smartphones: Wo verschließen wir die Augen? Wo müssten wir besser hinsehen? Und wie mit all dem Leben? Beteilige dich gerne an der Diskussion auf unseren Social-Media-Kanälen: 

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Deutschland ist ein demokratischer Staat. Dazu gehört, dass er sich für die Einhaltung von Menschenrechten und für den Frieden einsetzen soll. Das setzt Grenzen, die Politik und Zivilgesellschaft tatsächlich immer wieder ausloten müssen.

Im konkreten Fall von Katar heißt das: Ja, Flüssiggas einkaufen, aber es bitte nicht als „großartig“ loben, sondern den Zwiespalt klar benennen. Es heißt aber vor allem: Dafür sorgen, dass Deutschland nicht immer wieder vor dem gleichen Dilemma steht. Denn im Fall der Energie ist langfristig nicht Katar die Lösung, sondern der zügige Ausbau der Erneuerbaren.

Auch Kirchen müssen Energiebilanz verbessern

Tausende sind für Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft am vergangenen Wochenende wieder auf die Straße gegangen. Auch einige Landeskirchen hatten dazu aufgerufen, sich an den Demonstrationen zu beteiligen. Das ist gut so. Noch besser wäre es allerdings, wenn auch die Kirchen ihre Energiebilanz scharf in den Blick nehmen. Einige haben das bereits getan, andere hinken hinterher.

#klimagerechtwerden

Mit der Aktion #klimagerechtwerden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wollen sich die Kirchen für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit einsetzen. 

Alles rund um die Klimakampagne auf der EKD-Homepage

„Wir können in dieser Situation keine weiße Weste behalten“, diese Lernerfahrung mache sie gerade. Diesen Satz hat die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, gegenüber unserer Printausgabe, der Evangelischen Sonntags-Zeitung, im Interview gesagt.

Es ging um Waffenlieferungen an die Ukraine. Waffen sind kein Mittel um Frieden zu schaffen, sagte Kurschus. Sie finde es aber auch schwierig, Waffenlieferungen abzulehnen, wenn Angegriffene sich nicht aus eigener Kraft verteidigen können.

Nach der besten Lösung suchen

Das gleiche Dilemma in einer anderen Frage. Nicht immer gibt es eindeutige Antworten, nicht immer ist die moralisch richtige Antwort auch die durchsetzbare. Aber wir sollten nicht aufhören, nach der besten Lösung zu suchen. Und uns im Einzelfall klar darüber sein, welche Werte wir gerade nach hinten verschoben haben.

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