Kirche und Umweltaktivismus

Wie soll sich Kirche zur „Letzten Generation“ positionieren?

Zwei frauen sitzen mit einem Plakat auf der Straße.Ein Polizist spricht sie an.
privat/Letzte Generation
Mitgleider der "Letzten Generation" blockieren eine Straße.

Die „Letzte Generation“ sorgt mit ihren Aktionen für Aufregung. Wie soll sich die Kirche zu ihr verhalten? Kritisieren oder vermitteln?

Die Räumung von Lützerath ist abgeschlossen. Die letzten beiden Aktivisten haben den unterirdischen Tunnel verlassen. Im Fechenheimer Wald im Frankfurter Osten räumt die Polizei ebenfalls ein besetztes Gebiet - unter den Augen von kirchlichen Beobachtern. Etwa 25 Aktivisten hatten dort seit anderthalb Jahren dauerhaft ein Waldstück besetzt, welches einem Autobahnlückenschluss weichen soll.

Welche Rolle soll Kirche zu den Protestbewegungen einnehmen?

Polizeipfarrer üben Kritik

Viele Polizisten unterschiedlicher Einheiten aus ganz Hessen hätten sich über ein parteiisches Verhalten von kirchlichen Beobachter:innen bei der Räumung des Dannenröder Forstes vor zwei Jahren beschwert, sagten die Leitende Polizeipfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Barbara Görich-Reinel und Polizeipfarrer Martin Schulz-Rauch. So hätten nach Schilderung von Beamten Beobachter für Waldbesetzer gekocht und sich ohne Sachverstand in das Handeln der Polizei eingemischt. „Das ist kritisch“, sagte Görich-Reinel. „Die Polizei weiß, was sie tut, und wann sie unter Umständen Gewalt anwenden muss.“ Das Verhalten der kirchlichen Beobachter:innen sei von Polizisten nicht als kommunikationsfördernd, sondern als störend empfunden worden, und ihre Berichte als einseitig zugunsten der Besetzer:innen.

Welche Rolle der Evangelischen Kirche bei den inzwischen zahlenreichen Protestaktion der „Letzten Generation“, Fridays for Future und anderem Umweltaktivismus zukommt, wurde  in der Evangelischen Akademie in Frankfurt diskutiert.

Zentral war dabei, wie ein solidarisches Miteinander der Generationen gestaltet werden kann. Hannah Ferber von der Evangelische Jugend Bergstraße ist Sprecherin von Fridays for Future Bergstraße und Jugenddelegierte in der Landessynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Sie sieht den Generationenfrieden nicht in Gefahr.

Kirche muss die Sorgen und Nöte der Jugend ernstnehmen

Jetzt gehe es darum, die Ängste und Sorgen der jungen Menschen ernst zu nehmen und sie in ihren Forderungen zu unterstützen. Die Debatten darüber, ob die Protestform des Anklebens auf Straßen angemessen sei oder nicht, verfehle den Kern der Problematik, so Ferber.

Die Umweltaktivisten wollen sich Gehör verschaffen. Nur so könne man das starre System des „Weiter so“ stören und alle zum Umdenken bewegen. Die rund 200 Teilnehmenden der Veranstaltung „Die Evangelische Kirche und die Letzte Generation“ sprachen sich mehrheitlich dafür aus, dass die Kirche Position beziehen solle.

Verfehlt die Kirche ihre Kernthemen?

Dass Kirche dabei ihre Kernthemen von Verkündigung und Seelsorge verfehle, sehen viele nicht. Kirche müsse besonders jetzt ein Ort der Hoffnung sein und sie müsse verkündigen, dass unser aller Auftrag die Bewahrung der Schöpfung ist. So gab es beispielsweise sowohl im Dannenröder Forst als auch jetzt im Fechenheimer Wald kirchliche Beobachter während der Räumungen.

Immer wieder gab es Friedensgebete.

Ralf Müller von der Fachstelle Bildung und Ökumene des Dekants Vogelsberg war seinerszeit beteiligt an der Entwicklung des Konzepts der Arbeit der Beobachter. Selbst Teil des Teams im Dannenröder Forst kann er nicht bestätigen, dass Kirche von ihren Kernthemen abrücke.

Ganz im Gegenteil habe es viele Gespräche sowohl mit den Protestierenden als auch mit der Polizei gegeben. Oft ging es schlicht darum, zuzuhören. Immer wieder gab es Friedensgebete. Die kirchlichen Beobachter mahnten zur Besonnenheit, boten Ruheräume an, damit niemand aus Müdigkeit unüberlegt handele.

Kritiker werfen der Kirche politischen Aktionismus und moralische Panikmache vor

Gegenstimmen gibt es trozdem: In der Kontorverse um die Rolle der Kirche im Zusammenhang mit den Klimaprotesten argumentieren einige, die Kirche setzte auf politischen Aktionismus um damit ihre Position im aktuellen Zeitgeschehen zu rechtfertigen. Sie verfalle in eine moralische Panikmache, anstatt über eine kluge Klima- und Umweltpolitik nachzudenken. Der EKD-Synodenbeschluss des Tempolimits sei so ein Beispiel für Moralismus und Aktionismus und widerspreche zudem der protestantischen Auffassung von Freiheit.

Was sind die Aufgaben der Kirche in Zukunft?

Für Ralf Müller geht es nicht um Entweder/Oder. Das eine schließe für ihn das andere nicht aus. In der Kirche steht der Mensch im Mittelpunkt, genau wie der Frieden und der Umweltschutz. Die Kirche genieße einen Vertrauensvorschuss, den es zu nutzen gelte, sagt Müller. Kirchliche Häuser müssen für gesellschaftliche Debatten offen stehen oder noch geöffnet werden. Dabei spenden sie auch Trost und Zuversicht. Ihre Kernkompetenz. 

Was denkst zur Rolle der Kirche angesichts der Protestaktionen?

Was hältst von der „Letzten Generation“? Soll Kirche zwischen Politik und den Protestlern vermitteln? Schreib es uns. Gerne auf Social-Media auf: 

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